piwik no script img

Über die umweltgerechte Entsorgung problematischer Abfälle Von Susanne Fischer

Wie man hört, ist der ehemalige Hamburger Umweltsenator Fritz Vahrenholt nach dem jähen Ende seiner politischen Karriere in die Chef-Etage des Shell-Konzerns übergewechselt. Nein, das ist nicht das Unternehmen, das eine ökologische Muschelzucht vor der Nordseeküste betreut. Sie machen irgend etwas anderes, ich glaube, es stinkt mehr als Muscheln. Der Hamburger Umweltsenator hat vermutlich während seiner aktiven Zeit dem Shell-Konzern und anderen großindustriellen, potentiellen Umweltsenator-Rentenzahlern optimale Umweltbedingungen geboten, so daß er jetzt seinen gerechten Lohn erhält. Früher, als der Politiker als solcher noch ein Vorbild sein sollte, hätte sich bestimmt jemand darüber aufgeregt.

Es gibt aber inzwischen gar keine Vorbilder mehr, weil sie jetzt Rollenmodelle heißen. Geht auf die Straße, fragt die jungen Menschen! „Vorbilder? Pah!“ werden sie euch antworten, „Jan Ullrich ist mein Rollenmodell, du alter, uncooler, nicht auf dem laufenden sich befindender Sack!“ Wir Säckinnen grübeln, warum das angelsächsische role model nun plötzlich ein unschönes, deutsches Eigenleben führen will. Falls wir nicht gerade darüber nachdenken, was ausgerechnet Jan Ullrich, dieser kilometerschrubbende Meister Proper, der Jugend zu bieten hat. Ich strampel', also bin ich? Hat das Rollenmodell etwas mit der Skater-Mode zu tun? Mit der Rolle, die Models neuerdings in der Öffentlichkeit spielen? Ist Fritz Vahrenholt das Rollenmodell für die Miesmuschel der neunziger Jahre?

Keine Ahnung. Ich finde aber, daß Politiker, ehe sie sich zur Wahl stellen, bekanntgeben sollten, durch wessen Portemonnaie sie es sich nach dem siebten Skandal wohlgehen lassen wollen. Ich möchte einfach vorher erfahren, ob der Arbeits- und Sozialminister künftig beim Diakonischen Werk als Sachbearbeiter zu wirken beabsichtigt oder Geschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie werden will. Falls die Familienministerin plant, sich nach ihrem Abgang zum ersten weiblichen Papst zu entwickeln und gleichzeitig in der Weltorganisation der Rüschenblusenhersteller das Führungsrollenmodell zu geben, wüßte ich das ebenfalls gerne. Die wissen ja schließlich auch von mir, daß ich eines Tages Rentnerin bei der BfA sein werde, falls sie die Rentenanstalt bis dahin nicht aufgelöst und der Shell AG als Altöllager überantwortet haben.

Ex-Kanzler Kohl wird sicherlich sein Auskommen als singender Kellner Toni im Weißen Rössl finden und kann sich durch Autogrammkarten und Gebrauchtwagenverkauf einen hübschen Batzen dazuverdienen. Herr Kinkel könnte abends in Kneipen Rosen feilbieten oder beim Shell-Konzern als Tankwart anfangen. Da gibt es bestimmt ein nettes Trinkgeld. Wenn meine eigene Bundeskanzlerinnenzeit vorbei ist, schule ich um zur Feuerwehrfrau oder Lokomotivführerin. Vielleicht mache ich auch mein Hobby zum Beruf und werde Chefsack des Deutschen Muschelzüchterverbands. Aus tropischen Gewässern importiere ich sogenannte Mördermuscheln, die unvorsichtige Taucher oder Schwimmer am großen Zeh schnappen, nicht mehr loslassen und auf diskrete Weise entsorgen. Solche possierlichen Tiere züchte ich dann in meiner Badewanne, für den Fall, daß einmal ein Ex-Politiker auf meinem Klo vorbeischaut.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen