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Norwegen öffnet Tür für mehr Flüchtlinge

■ Christdemokratische Regierung will geltendes Asylrecht „humanitärer“ und flexibler handhaben. Geschlechtsspezifische Unterdrückung soll künftig als Asylgrund anerkannt werden

Oslo (taz) – Norwegens Regierung hat angekündigt, mehr Großzügigkeit bei der Bewilligung von Asyl walten zu lassen. Mit einer Reihe neuer Erlasse wies Justizministerin Aud-Inger Aure die Behörden gestern an, mit sofortiger Wirkung die „Erste Asylland“-Regelung anders als bislang handzuhaben und die Möglichkeit einer Aufenthaltsgenehmigung aufgrund humanitärer Erwägungen zu erweitern.

Eine „neue Asylpolitik“ sei dies nicht, versicherte die Justizministerin, aber „eine gewisse Aufweichung starrer Regeln“. So gilt die Regelung, daß ein Asylsuchender aus einem „sicheren Asylland“ ohne Prüfung seiner Gründe bereits an der Grenze abgewiesen werden kann, zwar grundsätzlich nach wie vor. Die geltenden Ausnahmen für Ehepartner, Kinder und Eltern werden aber ab sofort auch auf Geschwister erweitert. Großzügiger will man auch bei der Frage der Verfolgung von Seiten nichtstaatlicher Organe sein. So soll Asyl wegen geschlechtsspezifischer Verfolgung – beispielsweise von Frauen aus islamischen Ländern, die gegen dort geltende religiöse Regeln verstoßen – oder wegen Homosexualität gewährt werden. Und zwar auch dann, wenn die Verfolgung nicht primär von staatlichen Organen, sondern anderen gesellschaftlichen Organisationen mit Billigung oder Duldung des Staates ausgeht.

Die angekündigte „Großzügigkeit“ der christdemokratischen Regierung Norwegens ist ein Teil einer „moralischen Neubesinnung“, die Ministerpräsident Kjell Magne Bondevik seinen Landsleuten verordnet hat. Norwegen müsse sich, so der Ex-Pfarrer, dessen christliche Partei seit Herbst erstmals im Nachkriegsnorwegen allein regiert, in Zukunft mehr von moralischen Prinzipien leiten lassen. Zu diesem Zweck hat die Regierung auch eine Ethikkommission eingesetzt, um Vorschläge für eine moralische Neuorientierung zu machen.

Mit Ausnahme der rechtsextremen Fortschrittspartei stieß die neue asylpolitische Linie bei allen Parlamentsparteien auf breite Zustimmung. Norwegen hatte sich in der Vergangenheit mehrfach Kritik seitens des UN-Flüchtlingskommissariats und amnesty international wegen allzu restriktiver Handhabung des Asylrechts eingehandelt. Und damit einen Ruf begründet, der zur Folge hatte, daß im vergangenen Jahr nur 2.200 Flüchtlinge – die Hälfte hiervon aus Somalia und Exjugoslawien – Asyl in Norwegen beantragten. Im Schnitt der letzten Jahre wurde nur 32 Prozent der Suchenden auch tatsächlich Asyl gewährt.

Norwegens größte Flüchtlingshilfeorganisation NOAS begrüßte einerseits die Signale der Regierung, äußerte allerdings gleichzeitig Zweifel, inwieweit sich die neue Linie praktisch auswirken werde. NOAS-Generalsekretär Bjarte Vandvik: „Besonders positiv schätzen wir das Signal an verfolgte Frauen, beispielsweise solche aus Afghanistan ein.“ Beklagt wird bei NOAS allerdings, daß die Regierung nicht einen Schritt weiterging und auch eine Asylgewährung auf ethnischer Grundlage anerkenne. So würden auch künftig weder Tamilen noch Kosovo-Albaner in Norwegen Asyl erhalten. Reinhard Wolff

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