: Diskurse spartanisch
■ Kunsthaus: Eine Ausstellungs-Frage nach dem Bild an sich
Kompliziertes Unternehmen im Kunsthaus: Ein Kurator philosophiert über Bilder, die über Bilder reden und dabei eigentlich gar keine Bilder sind, sondern Plastiken, Reliefs und Videos: Das Bild – eine Randnotiz ist eine ebenso intelligent überreizte wie karg präsentierte Ausstellung. Was der Kunsthistoriker Andreas Baur zusammenstellte und arrangierte, erzeugt dabei eine fast schon sakral reduzierte Atmosphäre, ähnlich einem konstruktiven Kunsttempel der frühen Sechziger Jahre, kurz vor aller Popbuntheit, sozial engagierter Kunst und was da sonst noch kam.
Dem Kurator ging es mit diesem Rückgriff nicht darum, im rauschhaften Bildertanz einer scheinaufgeklärten und mitteilungslüsternen Welt einen weiteren Tanzsaal aktuell zu bebildern, sondern die Frage nach dem Bild an sich zu stellen. Trotz der Höhe seiner im Katalog nachzulesenden Argumentation geht es ihm dabei nicht um Interpretation, sondern so weit wie möglich um die selbstvermittelnden Fähigkeiten der Exponate. Denn Künstler führen seit langem in ihren Bildern einen eigenen bildreflektierenden Diskurs.
Im Zentrum steht deshalb ein Stilleben des italienischen Mal-Klassikers Giorgio Morandi (1890-1964). Dieses goldgerahmte, graufarbene Flaschenbild von 1957 aus der Hamburger Kunsthalle exemplifiziert die Grenze von Raum und Fläche, gemaltem Bild und sich vermittelndem Abbild der Realität, eingefrorener Zeit und farbegewordener Stille. Was können heutige Künstler dem noch hinzufügen? Da sind die zeitlupenhaften Liebesrituale mit ihrer verlangsamenden Musik im Video „Schatz und Wildhüter“ des Hamburgers Manuel Zanouzi. Langsam streichen Hände übers Blümchenkleid, und ein Hirschgeweih schwebt durch die Luft: Schon eher geringe, technische Abweichungen vom Alltag erzeugen positive Verwirrung.
Ist es hier der Zeitaspekt, der sich auf Morandi beziehen läßt, ist es beim Hamburger Bernhard Suhr die Refexion des Bildträgers. Neun gleichgroße Preßspanplatten sind durch Bohrraster zum Bild verwandelt. Um Proportionen und Teilungsverhältnisse geht es Christian Wulffen, dem jüngeren Bruder des Kunstvereinsdirektors nebenan. Er baut aus Folie, Tesaband und MDF-Platten neokonstruktive Reliefbilder. Und da sind auch „richtige“ Bilder: die vielschichtige Malerei des Karlsruhers Helmut Wetter. Obwohl es sich um reine, sujetfreie Malerei handelt, assoziert die Wahrnehmung hier Landschaft... (so wie bei Morandis Flaschen).
Man kann die Ausstellung in 10 Minuten abhaken – oder sich auf die spartanischen Angebote einlassen. Empfehlenswert ist der Besuch am späten Nachmittag, wenn die Abendsonne eines heißen Tages aus Richtung der glutroten Landschaften Helmut Wetters kommt, schräg Morandis Flaschen streichelt, die Porträt-Köpfe von Almut Heer nachmodelliert, unter Christian Wulffens Rahmen zusätzlich ein Abbild der Fensterkreuze zeichnet und im Kontrast das Schwarz auf den Tafeln von Bernhard Suhr noch lichtloser erscheinen läßt.
Hajo Schiff
Kunsthaus, Klosterwall 15, Di-So 11-18, Do 11-21 Uhr, bis 17. September
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