: Ende der Frauenfreundschaft
■ COAX Productions: „Du bist ein schönes Stück Fleisch“
Frauen unter sich. Giftpfeile schießen hin und her, kalte Schultern blitzen, verächtliche Blicke fliegen. Wenn man der Hamburger Choreographin Rica Blunck und ihrer jüngsten Produktion Du bist ein schönes Stück Fleisch glauben will, haben Frauen nichts anderes im Sinn, als sich mit ihren Geschlechtsgenossinnen in einen gnadenlosen Konkurrenzkampf zu stürzen. In Bluncks Tanztheater, das sie mit COAX Productions im Rahmen der independancedays auf Kampnagel als Try out in zwei Phasen vorstellt, buhlen vier Frauen um die Gunst imaginärer und realer Zuschauer.
Wie Mannequins posieren Karin Lechner, Isabelle Drexler, Anne Rudelbach und Kerstin Lünser auf einer Art Laufsteg, der die viereckige Tanzfläche umrahmt und hinter dem die Zuschauer im Karree sitzen. Zum Schminken und Umkleiden tänzeln die Künstlerinnen über ein schmales Holzbrett zu ihren eigenen zwei Wänden, die einsehbar in jeder Ecke des Raums installiert sind (Bühne: Ina Reuter).
So wie die vier Tänzerinnen über ein unterschiedliches Bewegungsrepertoir verfügen, so individuell sind auch ihre Behausungen und Bekleidungen gestaltet. Die Katzenhaft-Sinnliche mit den eleganten Abendroben zieht sich in ein Samtboudoir zurück, die Energetisch-Sportliche im hautengen Blümchenminikleid schminkt sich vor mintgrünen Stellwänden, die Eckig-Zarte zieht sich die Leggings vor dem Barockspiegel aus, und die Mädchenhaft-Verspielte im Sixties-Hosenanzug flüchtet regelmäßig vor eine Fototapete mit Palmenstrand.
Mit heiligem Ernst zelebriert jede ihren persönlichen Ausdruck – auch am Mikrofon, in das Nichtigkeiten aus Zeitungsartikeln hineingesprochen werden, die einzig dazu dienen, sich selbst zu präsentieren. Kommunikation findet nur ausnahmsweise statt. Abwechselnd dominiert jede den Tanzboden oder Laufsteg und wird vom Rest ignoriert oder mißbilligend betrachtet, bis ihr der Platz streitig gemacht wird. Schüchterne Annäherungsversuche weisen die Frauen brüsk ab. Nur manchmal tanzen sie gleichzeitig oder synchron – doch nie wirklich miteinander.
Eine Geschichte erzählt Rica Blunck in diesem knallharten Abgesang auf Frauenfreundschaft nicht. Endlos könnten die Selbstdarstellungsrituale zur meditativen bis aggressiven Musik von F. M. Einheit in fragmentarischer Wiederholung so weitergehen. Auf Dauer wird das jedoch schlicht langweilig, weil keine Steigerung stattfindet – trotz wechselnder Outfits, die immer lasziver die Körper entblößen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden: Schließlich läuft das Stück als Try out, hat also Werkstattcharakter.
Karin Liebe
Try-out-Vorstellungen, Phase II: 23./24. Januar, 20 Uhr, Kampnagel k4
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