Die Kopistin im Mackeland

■ In der Bremischen Volksbank werden live Picassos oder Renoirs verdoppelt, aber nicht gefälscht. Am Pinsel: Dorothea Adam, Spezialistin für Klassische Moderne

In ihrem Dorf bei Kassel ist sie nur „die Malerin“. Ein buntes Huhn, das einer ganz unbegreiflichen Beschäftigung nachgeht und auch noch davon lebt. Immerhin weiß man soviel: Dorothea Adam geht öfter ins Museum, kann Plakate für den Weihnachtsmarkt malen. Und eine Nachbarin hat sich einmal von ihr einen beinahe echten Renoir anfertigen lassen. Denn Dorothea Adam ist Kopistin, das heißt, sie malt echte Bilder nach. Ihr Schwerpunkt laut Visitenkarte: klassische Moderne. Umringt von lauter Picassos, Mackes, Monets und Marcs verbringt sie im Augenblick ihre Nachmittage in der Bremischen Volksbank an der Domsheide, Abteilung „Versicherungen“. Unter den Augen begeisterter Bankkunden verdoppelt sie gerade August Mackes „Promenade“.

Wenn jemand in ihrer Gegenwart das Wort „Fälschung“in den Mund nimmt und am Ende noch augenzwinkernd von viel Geld quatscht, wird Frau Adam ärgerlich. Selbst „kopieren“treffe es nicht ganz, sagt sie. Es gehe um „nachvollziehen“. Sagt sie, schlägt ihre Jeansbeine übereinander, nestelt mit den Fingern an einer Bildaufhängschnur und hat einen Beweis: „Ich könnte gar keinen Maler kopieren, den ich nicht mag!“Und dann sagt sie einen Lieblingssatz: „Bilder kopieren ist wie verreisen.“Sie begibt sich in ein anderes Land, sagen wir: Mackeland, dort reist sie umher, malt einen Adam-Macke, und wenn sie wieder zu Hause ankommt, dann fühlt sie sich auch daheim wieder wohl (und malt einen echten Adam). Natürlich ist der Weg das Ziel. „Macke machen ist schöner als Macke zu haben!“Außer: einen echten Macke haben. Das würde sie gar nicht aushalten vor Glück.

Doch, Tatsache, Frau Adam ist 63; aber Kunst hält jung. Geboren in Schorndorf bei Stuttgart, wollte sie schon immer nur malen malen malen. Die Tochter eines Graveurs – das ist ein Mensch, der zum Beispiel die Negativstempel fürs Geldprägen herstellt – besuchte die Werkkunstschule Schwäbisch Gmünd und war am Ende Glasgraveurin. Nutzkunst also, viel Deko.

Danach kamen lange Jahre, über die will sie gar nicht reden, „das ist ja fast gar nicht mehr wahr“. Ja, verheiratet war sie auch mal. Da macht sie eine wegwerfende Handbewegung. Drei Kinder, Haushalt!!! Auch Kunstpädagogin war sie, ach je. Aber mit 40! Da hat sie es geschafft. Da war „alles abgeschüttelt“. Da war sie endlich so frei, das harte Leben zu beginnen. Morgens mit dem Kofferraum voller Farben losfahren, ein paar Tage später mit den verdienten Geld zurückkommen. Die kleine graue Frau reckt sich: „Das Risiko finde ich gut. Angst macht mir das Vorhersehbare.“War sie verbeamtet? NEIN! Geld vom Exmann? NEINEINEIN! Drei Kinder, die Kunst: „alles allein geschafft, O JA!“

Dorothea Adam deutet auf ihre Kopie von Mackes „Helle Frauen vor Hutladen“(1913), 5.400 Mark. Es wäre Unfug, alle Zufälle, Trocknungsrisse und Pinselspritzer des Originals pingelig nachmalen zu wollen. „Es gibt nicht kopierbare Zufälle“, sagt sie, „würde man sich darauf versteifen, dann würden die Bilder verkrampft.“Man muß verstehen, wie Macke gemalt hat, und sein System übernehmen. Dann gelingt's mit Elan. Macke selbst, nicht wahr, könnte sich selbst auch nicht so kopieren, daß die Kopie dem Original wie ein Ei dem anderen gliche.

Verkniffene Feuilletonisten und unter Schmerzen Unikate gebärende Künstler würden über Frau Adam gewiß die Nasen rümpfen. Sie ist nämlich eine lustige Person, die nicht einmal vor Kitsch zurückschreckt. Wenn er Spaß macht. Und macht etwa die Bemalung eines Kettenkarussels auf dem Freimarkt keinen Spaß? Hat sie gemacht. Sie hat auch Kneipen mit Bauernmalerei ausgestattet, riesige Werbeplakate gemalt, sie ist Expertin im Umgang mit der Spritzpistole, liebt Lackfarbe. Sie wirft einen Blick aus der Volksbank aufs gegenüberliegende Parkhaus: „Vor so einer Hauswand würde ich nicht zurückschrecken.“Einmal, in Süddeutschland, stand ein Haus ohne Garten. Hat sie einen Garten auf die Hauswand gemalt, lauter Kletterrosen. Da kennt sie nix. „Aber dann kehr ich mich ab und mach was ganz anderes.“Was ganz anders wäre zum Beispiel, ein Bild von Modersohn-Becker zu kopieren.

Und was wäre mit einem echten Adam? Doch, sie hat mal viel Surreales gemalt, sich wohl auch mit dem ein oder anderen Bild aus einem Sumpf gezogen. Spaziergänge im Eggegebirge auf Leinwand verarbeitet. Da wurde vor langer Zeit auch mal etwas ausgestellt. Aber wie das hierzulande so ist: Man ist entweder Kopist oder Künstler. Welch ein Unfug! Frau Adam ist der lebende Beweis dafür, daß beides zusammenpaßt: Einmal wollte jemand einen echtes Adam kaufen, von dem sich die Malerin nicht trennen konnte. Hat sie sich kurzerhand selbst kopiert. „Das war fast so schwer wie Macke kopieren,“erinnert sie sich.

Vorderhand sind noch ein paar Träume zu verwirklichen. Man wird ja nicht jünger, dafür werden die Brillengläser immer dicker. Unbedingt möchte Dorothea Adam zum Kopieren in die Bremer Kunsthalle, wenn die wieder geöffnet ist. Dann wartet in Frankfurt im Museum noch ein Alter Meister auf sie und ihre Staffelei, dessen Bild „Paradiesgärtlein“aus dem 14. Jahrhundert von so „paradiesischer Schönheit und Seelenstärke“ist, daß ihre Augen beim Erzählen leuchten.

Ja und dann – dann muß noch eins getan sein, das sie fast nicht einmal zu denken wagt, weil es einem Sakrileg nahekommt: Eines Tages, vielleicht diesen Sommer noch, wird Dorothea Adam mit Staffelei und Öl losziehen und versuchen, einen neuen, noch nie gesehenen Macke zu malen. Das kann schiefgehen, sicher. Vielleicht traut sie sich auch nicht. „Das ist doch verwerflich, oder?“Sagt sie und lacht begeistert. BuS

Dorothea Adam ist täglich ab 12 Uhr live zu sehen in der Bremischen Volksbank an der Domsheide, bis 6.2.98