: Übersehene Körper und Sensationen
■ Weinende Clowns und schreibende Käfer: „Parallelmontagen“im K3 auf Kampnagel
An der eisernen Bar flirtet ein virtuelles Gegenüber: Im Spiegel reflektiert, erweckt das Gesicht mehr Aufmerksamkeit als im fast übersehenen TV-Kasten. So wird schon am Eingang zur Halle K3 das Hauptthema dieser Parallelmontagen-Ausstellung klar: spielerischer und reflexiver Umgang mit Video, Film und Foto. StudentInnen von Silke Grossmann von der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und von Heinz Emigholz aus der Hochschule der Künste in Berlin zeigen in dieser Workshop-Ausstellung neben unterschiedlichen Videoprogrammen vor allem Fotoserien, die den Blick auf meist übersehene Aspekte des Alltags richten.
Porentiefe Nahaufnahmen des eigenen Körpers, die eingefräste „Schrift“der Borkenkäfer oder leere Häuser und vergessene Ecken in Architektur oder Landschaftsresten: Michael Busch gibt seinen Fotospuren den Titel Der Körper des Ortes zwischen den Bildern, und das könnte als Motto für alles gelesen werden, was wändeweit in analytischem Schwarz-Weiß oder als malerische Farbstudie versucht, die kleinen Sensationen dem übersatten Blick anzudienen. Konsequenterweise fotografiert Reinhard Lorenz seine Bilder aus einem Bergdorf gleich mit verbundenen Augen. Doch es ist eine schmale Gratwanderung, Beliebigkeit zu demonstrieren, ohne daß das Gezeigte selbst beliebig wird.
Das Auffallendste an Denkmälern ist, daß man sie nicht bemerkt“, zitiert Gabriele Kahnert Robert Musil und dokumentiert 161 Berliner Denkmäler als Alibis einer städtischen Unwirtlichkeit.
Dezent auf die letzten Ausstellungstage zurückgenommen, zeigen die beiden Profs ihre Arbeiten und reichen so die Qualitätsmeßlatte nach. Denn daß die Spartengrenzen sprengenden Filme von Heinz Emigholz wichtiger Bestandteil der Mediengeschichte sind, ist unbestritten. Ein Universum aus Zeich(nung)en öffnet eine Bildwelt, die gegen jede Eindeutigkeit Befindlichkeiten nur in mehrfacher Überlagerung auszudrücken erlaubt.
In der Arbeitsausstellung ist gut zu verfolgen, wie heute glücklicherweise noch Freiräume genutzt werden, ohne daß in jedem Fall das Ergebnis originell sein muß. Nach dem Studium gibt's noch genug Probleme. Lars Theuerkauff zeigt auf zehn Monitoren Momente eines Clowns zwischen glückloser Ansprache und sprachloser Verzweiflung: schweres Kunstklischee, theatralische Kritik oder eben die wartende Zukunft als arbeitsloser Künstler. Hajo Schiff
K3 auf Kampnagel noch bis 23. Januar 16-20 Uhr.
Filme im Alabama, jeweils 22.30 Uhr; heute: „Der Pirat ist die Liebe“+ „Die Gefühle der Augen“, Fotofilme von Silke Grossmann, „Demon“von Heinz Emigholz.
Morgen: „Die Wiese der Sachen“, Film zum Terrorismus von Heinz Emigholz.
Freitag: „Der zynische Körper“+ „The Basis of Make Up“, beide von Heinz Eimigholz.
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