: Plauderton mit Giftspitzen
■ Statisches Unter-Sich: Hans-Christoph Blumenbergs „After-Play“in den Kammerspielen
Jede Generation hat das Recht, sich mies zu fühlen. Auch die knapp Sechzigjährigen. Niemand hat etwas dagegen, wenn sich ein Grüppchen sogenannter „Fifty-somethings“ein passendes Plätzchen sucht, um es sich in den jahrgangsspezifischen Wehwehchen so recht ungemütlich zu machen. Aber muß es denn ausgerechnet eine Theaterbühne sein?
Es muß wohl. After-Play, der dramatische Erstling der New Yorker Schauspielerin Anne Meara und seit Mittwoch in der Inszenierung von Hans-Christoph Blumenberg in den Kammerspielen zu sehen, läßt diese angeblich vom medialen Jugendwahn überschrieene Altersgruppe ausführlich zu Wort kommen. Zwei Ehepaare krönen einen Theaterbesuch mit einem Dinner in einem Nobel-Restaurant, ein drittes Paar kommt hinzu, und der Abend gerät beinahe außer Kontrolle. Aus dem netten Plauderton ragen giftige Spitzen, taktlose Bemerkungen erzeugen ein emotionales Tohuwabohu, das sich mit Entschuldigungen nur noch mühsam eindämmen läßt. Zum richtigen Krach kommt es allerdings nicht, denn man ist ja zivilisiert. Und außerdem ist da der junge Oberkellner Raziel, der unerschütterlich lächelnd die Grenzen des guten Geschmacks wahrt.
Meara hat nicht nur ihre eigene Generation beschrieben. Als Drehbuchautoren und Schauspieler gehören die Figuren auch ihrem Berufsstand an und sitzen in ihrem Manhattan. „Alles, was Sie über mich wissen wollen, ist in dem Stück“, sagte sie der New York Times. So erfährt man, daß das Leben erfolgreicher amerikanischer Kunstschaffender besagten Alters folgende Angelpunkte aufweist: Alkohol, Kinder, Krankheiten und Nostalgie. Die Therapie darf ebensowenig fehlen wie ein paar politisch unkorrekte Witze. Vieles erinnert an Woody Allen, der auch im Programm ausführlich zitiert wird.
Nur ist Mearas Stück keine echte, sondern eine „ernste“Komödie, und das heißt in Blumenbergs Interpretation: Zwei bis sechs Darsteller sitzen knapp zwei Stunden um einen Tisch herum, giften sich an und vertragen sich wieder. Der Ernst funktioniert dabei halbwegs, die Komik überhaupt nicht, und die irreale Komponente – eigentlich sollten die Paare bereits tot und der Kellner ein Engel sein – erfährt man nur aus dem Programmheft.
Die Schauspieler meistern die Sitztortur souverän (besonders Hannelore Hoger als die ordinäre Renée und Angela Schmid als das Nervenbündel Terry), die Statik der Inszenierung können sie aber nicht aufbrechen. Auch das stimmungsvolle Ambiente mit ein paar netten Zaubertricks auf der Bühne (Raimund Bauer) hilft nicht weiter. Die Innenansicht von Anne Mearas Generation zeigt so nur eins: Die sollten lieber unter sich bleiben.
Barbora Paluskova
Bis So, 15. Februar, 20 Uhr (Di-Sa) und 19 Uhr (So), Kammerspiele
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