Selber Klassik

■ Begegnung mit der Unsterblichkeit: Die Deutsche Grammophon wird 100 Jahre alt

Als allererstes sollte man jetzt zu seinem Plattenschrank tigern und die Klassiksektion durchforsten. Die Chancen stehen gut, auf das Logo der Deutschen Grammophon (DG) zu stoßen. Das goldgelbe Signet mit der Tulpenkrone bedeutet Klassikfans ungefähr das, was ADOs Goldkante für Gardinenliebhaber meint: gediegene Qualität, Kontinuität, Zuverlässigkeit. Mit einem Wort: selber Klassik.

Und außerdem wird die DG am 6. Dezember 100 Jahre alt. Das nicht zu feiern kann sich eigentlich niemand leisten: Emil Berliner, der Gründer der DG, hatte zuvor nämlich nicht nur den Plattenspieler, sondern auch noch die dazugehörige Schallplatte erfunden. Und wer möchte es wagen, die kulturbildende Wirkung der Schallplatte zu leugnen? Ist Punk ohne die Single denkbar? Natürlich nicht.

Im wilden Patentkampf 1887/1888 konnte Berliner sich gegen Thomas Alva Edison, den Erfinder der Glühbirne, und Alexander Graham Bell, den Erfinder des Telephons, durchsetzen. Berliner präsentierte seine Entwicklung geschickter: Während Bell stolz darauf verwies, daß seine Erfindung auch unschöne Zischlaute reproduzieren könne, spielte Berliner eine Platte mit einer von ihm selbst gehaltenen Rede vor, derem selbstreflexiven Reiz auch heute noch nur schwer zu entkommen ist: „Will it not be like holding communion even with immortality?“

So also fing es an: Mit dem Begehren, das Vergängliche, die Stimme und den Schall, festzuhalten und unsterblich zu machen. Und es endet in einem neuen Produkt des Hauses DG: die CD–pluscore. Diese großartige Entwicklung nämlich steckt man in seinen Computer, lädt sich die gesamte Partitur auf den Bildschirm und kann dann all die Stellen verbessern, wo man schon immer dachte, daß Bach geirrt habe. Ist das nicht wie eine Begegnung mit der Allmacht? Doch, doch.

Matthias Anton