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Neue Hoffnung für das Mühlenberger Loch

■ Umweltsenator frohlockt: A 20-Stopp erhöht den Druck, EU-Richtlinien einzuhalten

Die sozialdemokratische Angewohnheit, sich beherzt über EU-Naturschutzrichtlinien hinwegzusetzen, dürfte am kommenden Dienstag ein jähes Ende finden. Dann nämlich befaßt sich der rotgrüne Senat mit der Unterschutzstellung des Mühlenberger Lochs und des Moorgürtels. Bis zum 27. Januar muß der Senat die ökologisch wertvollen Gebiete bei der EU als Vogelschutzgebiete angemeldet haben.

Der Druck, den europäischen Bestimmungen endlich zu entsprechen, wird nicht nur durch die grüne Regierungsbeteiligung erhöht. Der gerichtlich erwirkte vorläufige Baustopp der Ostseeautobahn A 20 in Schleswig-Holstein vor zwei Tagen zeigt darüber hinaus, daß es sich nicht auszahlt, EU-Recht zu unterlaufen. „Das Gericht hat klargestellt, daß nicht diejenigen einen Planungsvorteil haben sollen, die vor den Belangen des Naturschutzes die Augen verschließen“, frohlockte gestern Hamburgs Umweltsenator Alexander Porschke (GAL). „Aus der Sicht des Naturschutzes begrüße ich die Entscheidung.“

Tatsächlich hätte das Mühlenberger Loch in Finkenwerder nach EU-Recht (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) längst angemeldet werden müssen. Doch der SPD-geführte Senat wollte die Erweiterung des DASA-Werkes ins Mühlenberger Loch nicht gefährden. Hamburg bewirbt sich um den Bau des Superfliegers „A3XX“, der 4000 neue Arbeitsplätze schaffen soll. Bekommt Finkenwerder den Zuschlag, müßte das Unternehmen vergrößert werden.

Die GAL setzte während der Koalitionsverhandlungen immerhin durch, daß nun auch eine andere angrenzende Fläche, nämlich das ökologisch weniger wertvolle Gebiet entlang des Rüsch-Kanals, als Erweiterungsgebiet geprüft wird. Das Gelände liegt bis auf wenige Zulieferbetriebe und einen Sportboothafen brach. Selbst die DASA-Unternehmensleitung räumt inzwischen ein, daß es alternative Ausbaumöglichkeiten gibt. Mit der nun anstehenden Anmeldung in Brüssel wachsen die Chancen für den Erhalt des Mühlenberger Lochs. Zwar kann es auch für ein Naturschutzgebiet Ausnahmen geben. Doch die planerische Vorbereitung des Rüsch-Kanals läge näher.

Porschke bewertet die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Ostseeautobahn als Rückenwind für grüne Positionen. Für Bauvorhaben sei es sinnvoller, Klarheit herzustellen, statt sich um Umweltschutz herumzudrücken. „Der Baustopp macht deutlich, daß es auch im Interesse der Träger von Großprojekten ist, ihre Vorhaben von vorneherein unter Berücksichtigung der Naturschutzbelange zu verfolgen.“

Hocherfreut nahm auch der Hamburger Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) das Urteil zur Kenntnis. „Für Hamburg bedeutet dies, daß Flächenansprüche im Süderelberaum für die DASA und die A26 hinter dem Schutz von Naturräumen mit europaweiter Bedeutung zurückstehen müssen“, schlußfolgert BUND-Vorsitzende Jutta Becher. Sie fordert den Senat auf, das Mühlenberger Loch und den Moorgürtel längs der Unterelbe – Heimat des Wachtelkönigs – großflächig als Schutzräume bei der EU anzumelden.

Silke Mertins

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