: Das wird ernst: Nicht nur seine angeblich zahlreichen Sex-Affären machen US-Präsident Bill Clinton zu schaffen – mit diesen Vorwürfen lebt er seit Beginn seiner Amtszeit. Jetzt aber soll er auch noch eine ehemalige Geliebte zum Meineid verführt haben. Aus Washington Peter Tautfest
Opfer der Frauen oder Sex-Maniac?
Eigentlich hätte der Papstbesuch auf Kuba oder wenigstens die Besuche Netanjahus und Arafats bei Clinton die Schlagzeilen beherrschen sollen. Doch knapp eine Woche bevor der Präsident seinen Bericht zur Lage der Nation gibt, beschäftigt diese nur eine Frage: Ist der Präsident ein Wüstling und ein meineidiger Lügner dazu? Wird wahr, was seine Gegner für den Fall der Wiederwahl prophezeit hatten, daß Clinton wie Richard Nixon mit Schimpf und Schande aus dem Weißen Haus gejagt wird? Bill Clinton, den seit seinem Vorwahlkampf im Jahre 1992 Anschuldigungen und Gerüchte um außereheliche Beziehungen und sexuelle Übergriffe gegen Untergebene verfolgen, ist in seinen bisher größten Sexskandal und damit in die schwerste Krise seiner Amtszeit geraten.
Dabei geht es nur mittelbar um ein Verhältnis des Präsidenten zu einer Praktikantin im Weißen Haus. Monica Lewinsky war 21, als sie 1995 ins Weiße Haus kam, und es gibt kein Bundesgesetz, das einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen verbietet, selbst wenn sie außerhalb der Ehe und im Weißen Haus geschehen.
Unziemlich, wie ein solches Verhältnis in Anbetracht des Machtgefälles wäre, würde der Präsident schlimmstenfalls die Achtung seiner Landsleute verlieren. Das Amt aber kann ihn kosten, wenn sich bestätigen sollte, daß er Monica Lewinsky empfohlen habe, im Falle einer Vernehmung zu lügen und zu leugnen, und wenn er selber bei seiner Vernehmung unter Eid im Paula-Jones- Fall auf Fragen nach einer sexuellen Beziehung zu Monica Lewinsky gelogen haben sollte.
Ein Skandal ist die ganze Geschichte, erst recht wenn sich herausstellen sollte, daß an ihr nichts dran ist. Denn dann ist sie die schwerste Verleumdung, der sich je ein Präsident ausgesetzt sah, und läuft auf einen schweren Machtmißbrauch des Sonderstaatsanwaltes Kenneth Starr hinaus. Starr ist eine Schlüsselfigur in diesem Drama. Er ist ein vom Justizministerium eingesetzter und von einem Richterkollegium bestellter unabhängiger Sonderstaatsanwalt, der anfangs nur die schwer durchschaubaren Finanz- und Immobiliengeschäfte der Clintons in Whitewater, Arkansas, aus dem Jahre 1978 untersuchen sollte. Im Laufe der nun bald vierjährigen Untersuchung hat Starr seine Untersuchung ständig ausgeweitet.
Im Juni vergangenen Jahres begann Starr, Clintons Privatleben und seine Beziehungen zu Frauen zu untersuchen. Er müsse auch jene befragen, denen Clinton in intimen Situationen etwas anvertraut haben könnte, begründete der Sonderstaatsanwalt sein Vorgehen. Zu Kenneth Starr kam Anfang dieses Jahres Linda Tripp, wie Monica Lewinsky eine ehemalige Angestellte des Weißen Hauses. Beide wurden ins Pentagon versetzt. Tripp berichtete ihm von intimen Affären Clintons mit seinen Mitarbeiterinnen, mit einer Kathleen Willey und mit besagter Monica Lewinsky. Sie bot Kenneth Starr Tonbänder an, die sie während langer Telefongespräche mit Lewinsky aufgezeichnet hatte. Kenneth Starr wandte sich ans FBI, und Linda Tripp wurde mit Abhörgeräten ausgestattet und zu einem Treffen mit Lewinsky geschickt. Es existieren also zwei Satz Tonbandaufzeichnungen, jene, die Tripp in eigener Regie gemacht hatte, und jene, die sich zur Zeit unter Verschluß des FBI befinden. Im Verlaufe dieser Unterhaltungen soll Lewinsky Tripp ihr Verhältnis zu Clinton in drastischen Worten geschildert, ihre Angst vor einer Vernehmung durch die Anwälte von Paula Jones gestanden und von dem Rat berichtet haben, den ihr Clinton und sein enger Freund und Berater Vernon Jordan gegeben haben sollen: „Alles leugnen!“ Das wäre Obstruktion der Justiz, und das kann den Präsidenten sein Amt kosten. Monica Lewinsky wird heute erneut von den Anwälten von Paula Jones vernommen, die ein Täterprofil Clintons zeichnen wollen. Sie soll auch von Kenneth Starr vernommen werden.
Lewinsky hat im Paula-Jones- Verfahren unter Eid ausgesagt, niemals ein Verhältnis zum Präsidenten gehabt zu haben. Die Bänder, wenn sie echt sind, würden dieser Aussage widersprechen. Eine Anstiftung zur Falschaussage sowie Clintons eigene, möglicherweise meineidige Aussage während der Vernehmung durch die Anwälte von Paula Jones gehörten – ließen sie sich beweisen – zu jener Art Vergehen, die ein Amtsenthebungsverfahren in Gang setzen könnten. Clinton würde wie Nixon über Obstruktion der Justiz stolpern. Auch wenn sich eine Anstiftung zum Meineid selbst mit Hilfe von Tonbandaufzeichnungen nur schwer beweisen läßt, die Gefahr, daß Clinton deswegen amtsenthoben wird, ist real.
In zwei Interviews, die schon vor Bekanntwerden der neuesten Vorwürfe mit den öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsendern Amerikas vereinbart worden waren, fragten die Interviewer mit staatsanwaltlicher Eindringlichkeit nach dem Sexualleben des Präsidenten. Darin dementierte Clinton entschieden und wiederholt, je ein Verhältnis mit Monica Lewinsky gehabt zu haben. Ehefrau Hillary Clinton sagte in einem Interview mit American Urban Radio, sie lebe nun schon seit sechs Jahren mit solchen Beschuldigungen und stehe fest zu ihrem Mann. Ungenannte Mitarbeiter im Weißen Haus berichteten der Washington Post, daß Lewinsky in den Präsidenten verknallt war, ständig um ihn sein wollte und letztlich deshalb ins Pentagon versetzt wurde. Auch Linda Tripp ist der Öffentlichkeit keine Unbekannte. Sie hat schon unter der Bush-Regierung gearbeitet und auch diesen Präsidenten eines Verhältnisses bezichtigt. Evan Thomas, Chefredakteur von Newsweek, aber hat einen 90minütigen Ausschnitt der Bänder gehört und wollte nicht in den Chor derer einstimmen, die diese Geschichte nur als letzten Tiefschlag einer konzertierten Anti-Clinton-Kampagne werten wollten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen