piwik no script img

Wand und BodenAlles so hübsch hier

■ Kunst in Berlin jetzt: Carpenter, Eller, York der Knöfel, Kunst statt Werbung

Merkwürdig ist es ja schon: Da schaut man sich die grauen abstrakten Bilder von Merlin Carpenter an und findet, daß sie irgendwie gut zu Prada passen, also diesen Klamotten mit dem ärmlichen Weltkrieg-II-Look für zweitausend Mark und mehr, und dann schaut man auf das Verzeichnis der Arbeiten und liest, daß das Glasgemälde, vor dem man gerade steht, „1945“ heißt. Kriegt der britische Künstler einen tatsächlich so schnell an den Wickel? Weiß er mit seinem dünn aufgetragenen, unfreundlichen Grau in Grau (mit ein paar netten weißen Pinselexplosionen) also genau zu sagen, mit was er rüberkommen will? Muß man sich so schnell geschlagen geben?

Denn zunächst kann man Carpenters Bilder in der Galerie Hetzler unmöglich mögen. Trist, gleichartig, irgendwie häßlich und holprig in der Aufteilung der Flächen und im Farbauftrag, befremdlich in ihrer Abstraktion, in der dazu noch das eine Gesicht und der andere Gegenstand versteckt scheint, zeigen sie am Ende doch beunruhigende Qualitäten. Allein, daß die Hochformate tatsächlich so viel besser kommen als die Querformate, ist eine Herausforderung. Üblicherweise ist es ja das Hochformat, das man bei Gemälden unterschätzt, wenn nicht übersieht. Zuletzt konnte man die Probe aufs Exempel bei Gerhard Richters Zyklus „18. Oktober 1977“ in der Nationalgalerie machen.

Malerei lebt vom Cinemascope-Format und nicht von der vernünftigen Buchseite. Da Carpenter allerdings eine antimalerische Situation schaffen will und einem inhaltlichen, romantischen, landschaftsmalerischen Impuls nachgibt (wie es das Ausstellungsplakat mit dem Mann am Meer und dem „Spandau Ballett“ Zitattitel „Chant No 1“ auch offen kundtut), irritiert es, wie gut ihm dies gelingt.

Bis 21. 2., Di-Sa 11-18 Uhr, Zimmerstr. 89

Sieht alles so hübsch aus: bei Thomas Eller und York dem Knöfel im Neuen Berliner Kunstverein. „Resident Alien“ heißt ihre Schau, wobei US-Behörden diesen Begriff für nicht US-amerikanische Staatsbürger verwenden, die sich legal im Land aufhalten. Wie Thomas Eller und York der Knöfel etwa, die sich seit drei Jahren zumeist in New York herumtreiben.

Mit den Aliens hat es Berlin in letzter Zeit. „Loving the Alien“ war erst kürzlich in der Volksbühne gefragt. Dazu läßt sich natürlich manches sagen. Und überhaupt lieben wir die schöne Fremde. Wie das Mädchen, das in Knöfels „The Directors Instruction“ an die Wand projiziert ist. Ihr Lachen erreicht uns durch den von der Decke baumelnden Kopfhörer. Sollte sich das Fremde nicht vielleicht durch etwas Neues, Unbekanntes, Andersartiges auszeichnen? Bei Knöfels Arbeiten läßt sich das nirgends entdecken. Die Videobahre, die er in den Raum gestellt hat, ist es nicht. Fünf rosarote Frauenmünder plappern aus fünf Monitoren: „enjoy yourself“, „be happy“ etc. Rechts daneben hängen sieben Vergrößerungen von amerikanischen Führerscheinen. Ja, wir verstehen, Identität, Porträt und so weiter. Befremdlich ist eigentlich nur, warum sich York der Knöfel nach der starken „Thoughts“- Installation im Hamburger Bahnhof jetzt so schwach präsentiert.

Ist alles so hübsch hier. Bei Thomas Eller und seiner Food- Fotografie. Frisch und lecker fotografierte Miesmuscheln und Austern hat er auf Aluminium kaschiert, ausgeschnitten und mit Hilfe von Metallgestänge vor die Wand geblendet. Nach dem gleichen Prinzip erkennt die Besucherin Fische, Skorpione, rollende Rubel und Campbells Suppendosen. Natürlich müßte man jetzt über Warhol, Konsum und weiß der Henker was noch nachdenken. Aber dafür ist das alles viel zu hübsch hier.

Bis 1. 3., Di-Fr 12-18, Sa/So 12-16 Uhr, Chausseestr. 128/129

Für das Hübsche, Frische, wenig Kontroverse, an dem niemand etwas auszusetzen hat, entschied sich auch die Jury des Wettbewerbs „Kunst statt Werbung“: für den blauen Himmel von Annette Munk. Unten säumen ihn die Oberkanten verschiedener Häuserblocks. Sieht trotz des Wettbewerb-Mottos nach Berlin Werbung aus.

Der andere Gewinner hat entschieden mehr Gewicht. Renata Stih und Frieder Schnock machen den U-Bahnhof mit 32 nützlichen Wandtafeln zur sozialen Plastik. Ein großes Wort, etwa „Müssen“, wird von einem kleinen Text ergänzt, der auf eine Selbsthilfegruppe verweist („Abbau der permanenten Angst in der Selbsthilfegruppe für Harninkontinenz, Tel. 8926602“). Dazu verteilen die Künstler Einladungen, „aktiv am Kunstprojekt teilzunehmen“, indem man etwa einen Hund aus dem Tierheim eine Stunde lang spazierenführt. Hier erfährt man also wirklich etwas über die Resident Aliens in dieser Stadt.

Es gäbe noch eine Menge anderer Anwärter für das Gastspiel am Alexanderplatz – die Ausstellung in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst ist entsprechend sehenswert. Dirk Sommer wollte sechs dieser farbig gestreiften Großraumtaschen für den Transport von Billigwaren aufhängen, in denen Lichtkästen mit „heiteren und philosophischen Texten“ steckten. Ulrich Wüst schlug die Plakatierung mit unscharfen Schwarzweißfotos vom Alexanderplatz vor. Die vorgestellte Serie sieht ziemlich schick aus, aber erfreulicherweise im Sinne von „gemein gut“. Gunda Förster dachte an eine Zeitschrift namens Alex, Bettina Allamoda an eine bildhauerische Installation, die die Kurve, die die Bahn macht, in einem großen konvexen Spiegel umdreht und verzerrt. Auch Helga Paris „Männer am Alex“ hätten ganz gut gegen die üblichen Werbegesichter gepowert und gegen die Überrepräsentanz der Frauen im öffentlichen Raum (bei gleichzeitiger Unterrepräsentanz im ... na ja, wir wissen's ja).

Bis 3. 2., tägl. 12-18.30 Uhr, Oranienstraße 25 Brigitte Werneburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen