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„Mitarbeiter, die so fit sind wie die GSG 9“

■ Michael Schmilinsky (61) aus Genf ist Betriebswirt und berät seit elf Jahren Unternehmen, wie sie effektiv ihre Krankenrate senken und die Leistungsbereitschaft ihrer Belegschaften steigern können

taz: Deutschland hat die niedrigste Krankenrate seit Jahrzehnten. Sind wir so leistungswillig wie selten zuvor?

Michael Schmilinsky: Als ich mit meinen Fehlzeitenseminaren anfing, waren die Mitarbeiter keck und die Firmenleitungen ängstlich. Inzwischen haben diese kapiert, daß man gegen Fehlzeiten etwas tun kann, und die Mitarbeiter sind vorsichtiger geworden.

Sie gelten als Spezialist für Fehlzeiten in Unternehmen. Läßt sich der Krankenstand noch weiter senken?

Diese 4,17 Prozent sind noch zuviel. Realistisch wäre es, ein Prozent bei Angestellten zu erzielen, bei Facharbeitern sollten es 1,4 sein, bei ungelernten Arbeitern 2 Prozent. Dies sind die besten Zahlen, die ich jemals in einem Unternehmen erreicht habe, allerdings ohne die Langzeitkranken.

Ginge es nach Ihnen, dürften sich doch nur noch Weltmeister im Arbeitsleben bewähren.

Um ein Unternehmen rationell zu führen, muß man eine Elitepolitik betreiben. Man darf nur die Besten beschäftigen, die der Arbeitsmarkt hergibt. So erreichen Sie ein spitzenmäßiges Kosten-Nutzen- Verhältnis. Die Devise müßte sein: Nur die besten Generaldirektoren, die besten Verkäuferinnen, die besten Arbeiter!

In Deutschland haben Firmen vor Jahren jeden eingekauft, der am Werkstor vorbeimarschierte. Und deswegen gibt es heute noch einen kleinen, aber harten Kern von Schlaumeiern, die das soziale Netz geschickt ausnutzen. Das sind die Belegschaftsaltlasten. Über die ein Unternehmen stolpern kann. Kommen die Ideen nicht, wird Neues abgewürgt, und letztlich ist die Effizienz nicht da. Um zukunftsfähig zu bleiben, braucht eine Firma Mitarbeiter, die so fit sind wie die GSG 9.

Wer krank wird, muß also damit rechnen, daß er rausfliegt?

Fehlzeiten kommt man auf zwei sich widersprechenden Wegen bei. Einmal müssen Führungskräfte lernen, dafür zu sorgen, daß das Betriebsklima stimmt. Der gute Vorgesetzte hat keine Lieblinge, erkennt Leistung an, kritisiert sachlich und freundlich, hat Zeit zum Zuhören und informiert seine Mitarbeiter über die Beweggründe seines Handelns. Er behandelt sie nicht wie Dummchen. Wenn alle motiviert sind, fällt die Krankenrate. Wer aber krankfeiert, obwohl er arbeiten könnte, muß mit Strenge rechnen.

Sollten Vorgesetzte ihre Mitarbeiter bespitzeln lassen, um herauszufinden, ob jemand krank ist oder blaumacht?

Ja. Ein Unternehmer braucht Durchblick. Stellt sich etwa heraus, daß einer nebenbei arbeitet, hat man das Recht, ihn zu feuern. Sofern er aber unschuldig ist, ist das Thema erledigt. Gute Unternehmer sorgen aber bereits im Vorfeld dafür, daß keiner auf die Idee kommt, den gelben Schein zu mißbrauchen. Sie erkundigen sich nach dem Befinden des Kranken und legen seine vorzeitige Rückkehr nahe. Sie vermitteln, daß Kollegen und Firmenleitung sich darüber freuen würden.

Das klingt nach knallharten Einschüchterungsversuchen in den Betrieben.

Einschüchterung ist nur eines der Mittel im Umgang mit Menschen. Der Arbeitgeber ist Kunde. Arbeitnehmer müssen dafür sorgen, als Lieferant der Ware Arbeit einen guten Ruf zu haben. Das wird zu oft vergessen.

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