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Leuchtreklamen und Wahrheitsmaschinen

Der Ahnen-, Gottes- und Voodookult ist älter als jeder Begriff von Kunst, er wird nur in einer sehr fremden Sprache zelebriert: Die Ausstellung „Face of the Gods“ stellt im Berliner Haus der Kulturen die Welt afroamerikanischer Altäre und Opfergaben vor  ■ Von Katrin Bettina Müller

Darf man sich mit fremden Göttern amüsieren? Vor den Genuß haben die Götter den Zweifel gestellt in der Ausstellung „Face of the Gods“, die im Haus der Kulturen der Welt mit afroamerikanischen Gottheiten in den USA, Brasilien, Kuba, Surinam und Kongo bekannt macht. Ihre Altäre erzählen von den Eigenschaften der Götter, den Bedürfnissen der Gläubigen und der langen Geschichte der Transformation, die schwarze Kultur von der Kolonialisierung bis heute erfahren hat.

Es sieht nach Pop und Dada, Minimalismus und Fluxus aus, was Robert Farris Thompson, Professor für afrikanische und afroamerikanische Kunstgeschichte der Yale University, 1993 für das Museum for African Art in New York konzipiert und nun nach Berlin gebracht hat. Die bunten Plastikflaschen, die von einer Neonröhre beleuchtet den Zaun um einen texanischen Hofaltar markieren, scheinen mit der Welt der Leuchtreklamen und Imbißbuden am Straßenrand zu konkurrieren. Zwischen den Schalen und Krügen, die zu den Altarstufen einer brasilianischen Yoruba-Gottheit gehören, liegt Popcorn verstreut: Opfergabe für Omolu, der heute vor allem um Beistand gegen die Krankheit Aids angerufen wird. Kein bißchen ehrwürdig wirkt der abgestorbene Baum, auf dessen Äste nach einer Überlieferung aus dem Kongo Teller für die Ahnen gespießt wurden, um etwas von ihren Fähigkeiten festzuhalten. Vielmehr glaubt man das Klappern des Geschirrs einer großen Familie zu hören. In archaischer und majestätischer Einfachheit ragt dagegen der Ndjuka- Hochaltar auf, mit dem in Surinam die Vorfahren geehrt wurden: Für das T-förmige Kreuz, über das die langen Bahnen des Stoffes fließen, wurde die ganze Länge eines Baumes genutzt.

Nötig haben die Altäre den Vergleich mit den ästhetischen Artikulationsformen von Environments und Installationen eigentlich nicht, entspringen sie doch einem Denken, das älter als der Begriff der Kunst ist. Aber sie gewinnen durch die Ausstellung im musealen Kontext eine neue Geschichte hinzu. Eine andere Rezeption bleibt dem hiesigen Besucher der Ausstellung, die schon durch vier Städte der USA sowie Stockholm, Kopenhagen und Lanzarote gewandert ist, kaum, da er mit dem religiösen Kontext nicht vertraut ist. Man staunt und liest die Wandtexte, die einen Teil des Materials in seinem Symbolgehalt entschlüsseln, wie das Wörterbuch einer Sprache mit fremder Semantik.

Die meisten der Altäre sind für die Ausstellung gebaut. Thompson, der den materiellen Spuren einer afroamerikanischen Spiritualität – auch in der Musik und im Tanz – seit Jahrzehnten auf der Spur ist, gab sie bei Künstlern, Predigern, religiösen Führern und Bühnenbildnern in Auftrag. Einige werden als Rekonstruktionen ausgewiesen, andere sind von initiierten Altarbauern für die Ausstellung entworfen. Ein Teil ihrer Komponenten stammt aus historischen Sammlungen, ein anderer scheint im Devotionalienhandel um die Ecke erworben. Nur handgeschnitzte Figuren fehlen. Dennoch werden die Altäre nicht bloß als museale Demonstrationsobjekte verstanden, sondern als geweihte, funktionierende Stätten für die Kommunikation mit den Göttern – und die Ausstellungsleitung ist froh, berichten zu können, daß in New York Besucher beteten, tanzten und spendeten.

Am einfachsten war Eshu Olona (dem die Straßen gehören) aufzubauen. Den Stein, der mit drei Muscheln beklebt als Botengottheit der Yoruba eine Wegkreuzung bewachen könnte, würde man ohne seinen roten Sockel glatt übersehen. Doch die Unscheinbarkeit ist vielleicht nur Tarnung seiner großen Macht, denn von ihm heißt es: „Er macht, daß sich die Pfade kreuzen, und zwingt alle Glieder einer Gesellschaft dazu, für das Gemeinwohl zusammenzuarbeiten. Er ist der Leim, der die Gesellschaft zusammenhält.“ Daß man eine solche Macht in den heutigen, in Interessengruppen zersplitternden Gesellschaften immer heftiger herbeisehnt, erklärt vielleicht auch das wachsende Interesse an den afroamerikanischen Religionen.

Besondere Zuwendung seitens des Ausstellungsteams verlangt der Altar für den Geist Sarabanda Rompe Monte, der in der afrokubanischen Tradition steht. Er muß ab und zu mit Rum begossen werden. Eine Sammlung von Messern, Hörnern, Spiegelscherben, Ästen, Zangen und Handschellen, die in einem Topf zusammengepfercht sind, gibt ihm etwas Wildes und Wehrhaftes. Gebrochen wird diese fast drohende Geste gebündelter Kraft allerdings durch das Versteck in einem Schrank. Dorthin verbannte ihn möglicherweise das jahrhundertelange Verbot der Kolonialherren und ihrer Nachkommen, die schwarzen Religionen auszuüben.

Daß die Stärke des Glaubens, der vor Jahrhunderten mit den Sklaven über den Atlantik kam, gerade in seiner Fähigkeit der Tarnung, Anpassung und Improvisation liegt, beweist die Ausstellung eindrücklich. Sie nimmt durch die Vorgeschichte der Unterdrückung und die Taktik der Subversion für sich ein. Geradezu eine katholische Maskerade führt ein Umbanda-Altar, entworfen von einer ranghohen Umbanda-Priesterin aus Rio de Janeiro, auf. Dort sind auf einem Altartisch Jesus-Statuen, Marien und christliche Heilige neben Plastikindianern und allegorischen Figuren, die im Barock den schwarzen Kontinent darstellten, versammelt. Es fehlt auch nicht der Ritter auf einem Pferd, das für einen anderen Altar von einem Karussell abmontiert wurde. Dem Eingeweihten verraten die Farbzuordnungen, daß sich Omolu, für die Kranken zuständig, als heiliger Lazarus verkleidet oder gar in ihn verwandelt hat. Denn die Nächstenliebe, zu der man bei diesem Altar um Mut bitten kann, verbindet auch die moralischen Ziele der Religionen.

Der Versuch von „Face of the Gods“, auch von jenen Formen der Teilhabe an einer besonderen Spiritualität zu erzählen, die ohne materielle Symbolisierungen auskommen, schlägt allerdings in kitschige Inszenierungen um. Da brennen vor einem gemalten Meer Elektrokerzen im Sand, um den Atlantischen Ozean als unendlichen Altar von Yemanj, Göttin des Wassers und des Überflusses, vorzustellen. Diese etwas lächerliche Inszenierung ist eine Hilfskonstruktion, die dem Anliegen nicht ganz gerecht wird. Das naturalistische Ausstellungskonzept versagt dort, wo es die materiellen Zeichen fixiert, obwohl es doch gerade ihre Transformation und Offenheit meint.

Leider fehlen in der Ausstellung die Fotografien, mit denen Thompson im Katalog seine langjährigen Forschungen dokumentiert. Sie zeigen die Altäre in einem lebendigen Umfeld von Landschaften oder in Wohnungen versteckt, im Gerümpel eines Hinterhofes verschwindend. Erst diese konkrete Verortung im Alltag von ländlichen Umgebungen und in den heutigen Metropolen beider Amerikas könnte ihren Stellenwert erahnen lassen. Thompson nennt die Altäre auch „machines of truth“: Er hofft, mit ihnen die Konturen einer afroatlantischen Kultur aufscheinen zu lassen, für die der Westen lange blind war.

„Face of the Gods“. Bis 15.3 im Haus der Kulturen der Welt, Berlin. Der umfangreiche Katalog kostet 118 DM.

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