: Minderheitsregierung in Rumänien
Die zweitwichtigste Koalitionspartei ruft ihre Minister aus der Regierung ab. Trotzdem will die Demokratische Partei das Kabinett von Viktor Ciorbea unterstützen ■ Von Keno Verseck
Budapest (taz) – Rumänien hat seit gestern eine Minderheitsregierung. Der zweitgrößte Koalitionspartner, die sozialdemokratisch-liberal orientierte Demokratische Partei (PD), zog ihre fünf Minister aus der Regierung zurück. Einzig der parteilose Außenminister Andrei Plesu, der auf Vorschlag der PD hin sein Amt antrat, bleibt Mitglied der Regierung. Bekanntgegeben wurde die Entscheidung über den Rückzug der PD aus der Regierung gestern nacht von Staatspräsident Emil Constantinescu. Er hatte zuvor in mehrstündigen Gesprächen die Koalitionsparteien aufgerufen, weiter gemeinsam zu regieren. Die Demokratische Partei ist aber bereit, die Regierung unter Victor Ciorbea weiter zu unterstützen. Eine entsprechende Vereinbarung soll bis Montag unterzeichnet werden. Außerdem will sich die PD mit der Regierung auf ein Programm einigen, damit Reformen weitergeführt werden können.
Die zerbrochene Koalition kam im Dezember 1996 zustande, nachdem die demokratische Opposition die Wahlen gegen den neokommunistischen Staatspräsidenten Ion Iliescu gewonnen hatte. Stärkste Kraft in der Koalition ist die antikommunistische, christdemokratisch orientierte Bauernpartei. Sie stellt die meisten Minister sowie den Ministerpräsidenten. In der Koalition wird auch der kleinste Partner bleiben, die Organisation der ungarischen Minderheit (UDMR). Im Parlament verfügt die Koalition so nur noch über knapp 40 Prozent der Stimmen.
Zwischen der Bauernpartei und der PD herrschte schon seit letztem Frühjahr Uneinigkeit über bestimmte Reformvorhaben wie etwa die Landrückgabe an Bauern. In den letzten Monaten hatte die PD der Bauernpartei immer offener vorgeworfen, Wirtschaftsreformen zu verzögern, und die Absetzung des Ministerpräsidenten Ciorbea wegen mangelnder Autorität in der Regierung verlangt.
Für Rumänien wirkt sich der Zerfall der Koalition sowohl innen- als auch außenpolitisch äußerst nachteilig aus. Staatspräsident Emil Constantinescu hatte bei seinem Auftritt vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos nächste Woche die Verabschiedung wichtiger Reformgesetze verkünden wollen, um ein positives Signal für ausländische Investoren zu setzen. Die Verabschiedung dieser Gesetze könnte sich nun um Monate verzögern. Bereits Anfang Januar sackte der Leu gegenüber dem Dollar ab. Internationale Finanzorganisationen haben Rumänien erstmals seit der demokratischen Wende für zu langsame Reformen kritisiert. Der IWF sagte Verhandlungen über neue Kredite für Rumänien vorerst ab. Kommentar Seite 12
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