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Ekstase der Apparatschiks

■ „Amorphic Robot Works“gastiert auf Kampnagel

Mit dem Ei fängt es immer an. Auch wenn es aus Stahl, Schrauben und Kabeln besteht, an einem Drahtseil entlang seine Flugbahn nimmt und dabei so herzzereißend schnattert wie eine verirrte Ente. Druckluft haucht dem Flugautomaten wie auch den übrigen 42 Maschinenwesen aus dem Stamm der Amorphic Robot Works des Kaliforniers Chico MacMurtrie Leben ein. Seine Roboter sind keine futuristischen Industriknechte und keine enthemmten Frankensteinfabrikate, die nur noch ein Prozessor von künstlicher Intelligenz oder herbeigeschraubter Weltherrschaft trennt. Sie ähneln eher einem fremden Volksstamm, der am Fuße eines Totems, in Gestalt eines überdimensionalen Infusionsbeutel-Wesens, seine Rituale feiert.

In ihrer Performance The Ancestral Path – The Dog Monkey's Journey Through the Amorphic Evolution, die sie am Mittwoch auf Kampnagel präsentierten, erzählen sie die Geschichte ihrer Ahnen. Vom In-die-Welt-geworfen-sein, vom unbeholfenen Taumel bis zum aufrechten Gang, vom Gestaltungswillen bis zu Konkurrenzkriegen. Eine Apparatschik-Gemeinschaft, entstanden aus einer Kreuzung zwischen Computertechnologie und Bildhauerei und beseelt von einer neu-romantischen Faszination für Automaten und ihre unbekannten Gemütslagen. Mit ihren Tänzern, Percussionisten, Seilkletterern und Harfenspielern scheinen sie längst eine eigensinnige zwischenmaschinenmenschliche Struktur entwickelt zu haben, die ihre Evolutionsgeschichte mit jedem neu entdeckten Talent autonom fortschreibt.

Da wirft sich einer stolz in die Drahtbrust, holt dirigentengleich aus und beginnt mit eindrucksvoll scheppernden Pinselstrichen eine Leinwand zu bearbeiten. Der Eifrigste unter den Percussionisten trommelt sich derart in Ekstase, daß sein einziges Plastikhaar gefährlich vor seiner Stirn herumquirlt.. Und ein affenartiges Wesen kriecht auf allen Vieren quer über die Bühne und quietscht so markerschütternd, als habe ihm irgendjemand sein Junges geraubt.

MacMurtries animierte Skulpturen bevölkern eine Spieldose, die ebenso um die Maschinenwerdung des Menschen wie um die Mensch-werdung der Maschine rotiert. Seine klappernden Golems feiern nicht ausgelassen ihre elektronischen Lebendigkeitsschübe, sondern sie leiden auch an ihrer eigenen Technik, ihren Tücken und Beschränktheiten. Und wenn die trommelnden, krabbelnden, ratternden Stahlskelette zur kinetischen Symphonie aufspielen, dabei wie Kriegsversehrte zucken, an ihrer eigenen Steifheit zu verzweifeln scheinen oder sich gegenseitig versehentlich überwalzen, ähnelt die Szenerie einer Rehabilitationsklinik für Senioren-Roboter. Am Ende ist es natürlich eine auf einen Erdball geschweißte Menschen-Figur, die den Zauber dieser Biosphäre bricht. Ein zivilisationskritischer Tusch, der jedoch dem verspielten Charme der aufgedrehten Trommler nichts mehr anhaben kann. Birgit Glombitza

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