: „Menschenfeindliche Schmuddelecken“
■ Liepelt instrumentalisierte Debatte um Verarmung der Innenstädte
Die CDU nutzte die Parlamentsdebatte um die zunehmende Verarmung der Innenstadtbezirke gestern zu einer Neuauflage der Debatte um Sauberkeit und Sicherheit. In seiner Reaktion auf den gerade erschienen Sozialatlas ging es dem parlamentarischen Geschäftsführer, Volker Liepelt, nicht um sozialpolitische Maßnahmen. Vielmehr erklärte er im Stil von Fraktionschef Klaus Landowsky: „Nichts unterstreicht den Zusammenhang zwischen Verwahrlosung, sozialen Brennpunkten und wachsender Unsicherheit deutlicher als der Sozialatlas. Ist das Wohnumfeld schmuddelig, fühlt sich der Normalbürger unwohl, strebt vom Quartier weg, trägt damit zur Entmischung und Ghettoisierung bei.“
Als Gegenmaßnahme empfahl Liepelt neben Jugendarbeit und Nachbarschaftsgruppen auch „die Überwachung gefährdeter Räume“ und eine verstärkte Polizeipräsenz. Seine Rede gipfelte in dem Satz: „Schmuddelecken sind nun mal menschenfeindlich.“
In einer anderen Passage verwies Liepelt darauf, daß „kriminelle Ausländer ihr Gastrecht verwirkt“ hätten. Daß der Sozialstrukturatlas für einige Ostbezirke günstigere Sozialwerte ergibt als für westliche Innenstadtbezirke, wertete Liepelt als Beleg dafür, daß jetzt genug Geld in den Ostteil der Stadt geflossen sei. Auch dies ist in der CDU ein populärer Leitgedanke.
Den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen bewegte vor allem die Sorge, daß das Image von innerstädtischen Elendsquartieren „national und international“ Investoren verschrecken könne. Näher am Thema lag die SPD-Abgeordnete Gabriele Schöttle, die einen Finanzausgleich zwischen den Bezirken forderte. Die Hauptursache der zunehmenden Armut machte sie in der neoliberalen Bonner Regierungspolitik aus.
Der grüne Abgeordnete Michael Haberkorn stellte fest, daß Sozialpolitik und Stadtentwicklungspolitik nicht mehr getrennt betrachtet werden könnten. Mit identitätsstiftenden Maßnahmen müßten die Kieze gestärkt werden. Zugleich müßten die Senatsverwaltungen „flexibler als bisher“ Gelder in Brennpunkte geben. Auch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen müßten damit verknüpft werden. Es sei denkbar, daß Arbeitslose im Kiez für den Kiez beschäftigt würden. Um Maßnahmen zwischen den verschiedenen Senatsverwaltungen abzustimmen, forderte er einen Beirat, in dem unabhängige Kräfte vertreten sein sollten. Dorothee Winden
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