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„Was Juden und Homosexuellen recht war...“ Von Wiglaf Droste

Das muß man ganz genau lesen: „Die Pädophilen und ihre Apostel verlassen gerade die Schlupfwinkel. Sie wagen sich in die Öffentlichkeit, indem sie sich im Mäntelchen unvoreingenommener Forschung als verfolgte sexuelle Minderheit präsentieren. Was Juden und Homosexuellen recht war, soll ihnen billig sein. Sie pochen auf die Freiheit der Andersdenkenden, auf gesellschaftliche Toleranz und segeln in jenem Trend, in dem es sich gut macht, das freie Ausleben einer etwas anderen sexuellen Neigung einzuklagen.“

Geschrieben hat das Detlef Drewes, ein Augsburger Journalist, in seinem Buch „Schützt unsere Kinder! Stoppt ihre sexuelle Ausbeutung! Mit dem Augsburger Aufruf und einem Brief von Irene Epple-Waigel“. Was will Detlef Drewes damit sagen? Wer sind die „Apostel“ der Pädophilen? Wo ihre „Schlupfwinkel“? Wie sieht ein „Mäntelchen unvoreingenommener Forschung“ aus? Was „war Juden und Homosexuellen recht“? Verfolgt und ermordet zu werden? Oder sich bloß als „verfolgte sexuelle Minderheit zu präsentieren“? Wurden sie also gar nicht verfolgt? Bzw. sind Juden eine „sexuelle Minderheit“? Und also doch so etwas wie die „Pädophilen und ihre Apostel“, denen „billig sein soll“, was den Juden „recht“ war? Wurden also Juden und Homosexuelle von den Nazis am Ende zu Recht bestraft? Oder wie sonst soll man Drewes verstehen?

Schenkt man Drewes und seinen gedanklich unstrukturierten Beteuerungen Glauben, geht es ihm allein um eins: sexuellen Mißbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern anzuprangern und zu verhindern. Wer wollte das nicht unterstützen? Die Mißhandlung von Kindern ist widerlich, die Herstellung sog. Kinderpornographie ist es auch, beides sind schwere Verbrechen, die geahndet und vor allem möglichst verhindert werden sollen, und wenn Pädophile fadenscheinig von der „Sexualität von Kindern“ schwärmen, erhalten sie deutliche Auskunft: Kinder haben eine Sexualität, und zwar eine kindliche, die Erwachsene nichts angeht. Laßt die Kleinen in Ruh', punktum! Das ist so selbstverständlich, daß man es eigentlich nicht sagen muß.

Drewes aber wirft sich mit solchen Selbstverständlichkeiten in die Brust, als wären sie nicht gesellschaftlicher Konsens, sondern müßten erst durchgesetzt werden. Drewes will mobilisieren; angeblich nämlich stehen die Deutschen dem sexuellen Mißbrauch von Kindern teilnahmslos, verharmlosend oder sogar affirmativ gegenüber, was daran liegt, daß es zu liberal zugehe im Land, und daran, daß Minderheiten – „Juden und Homosexuelle“ z.B. – zuviel zu melden hätten. Das aber ist nicht nur eine Lüge, das ist Hetze. Anders gesagt: Manisch fixiert auf den sexuellen Aspekt von Kindesmißhandlung, befinden sich Drewes und seine Gastautorin Irene Epple-Waigel auf einem Kreuzzug. Ihr Geschäft ist nicht Aufklärung, sondern das Gegenteil: das Anheizen von Hysterie, „Kopf ab!“-Gebrüll und das Zumschweigenbringen der Vernunft. Dabei ist ihnen jedes mißbrauchte Kind geradezu recht: Wer kann es wagen, den Fundamentalisten zu widersprechen, wenn sie – rethorisch betroffen, aber kühlen Kalküls – mit toten Kindern Politik machen?

Und ganz offen drohen: „Was Juden und Homosexuellen recht war...“

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