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Antworten auf Letzte Fragen

Was ist besser: Im Zug rückwärts zu fahren und ins Vergangene zu gucken, oder vorwärts zu fahren und das Kommende zu sehen? (31.1.98)

Die banale Antwort: Bei einem ja durchaus möglichen Unfall wird man beim „Rückwärtsfahren“ mehr oder minder sanft ins klebrige Kunstleder gepreßt. Und das ist immer noch besser, als durch den Großraumwagen geschleudert zu werden.

Die tiefsinnigere: Der Philosoph sitzt mit Blick auf das Vergehende, das er auf diese Weise in aller Muße betrachten, reflektieren und analysieren kann (Paul Claudel). Er verweigert sich dem imperialen Blick nach vorn, denn der gaukelt dem in Fahrtrichtung Sitzenden auch nur vor, ein Wissender zu sein, der auf das Kommende Einfluß ausüben kann. Das Vergehende und Vergangene muß wirklich begriffen und in seinem Wesen durchdrungen worden sein, um aus den verschütteten Möglichkeiten der Vergangenheit noch Perspektiven für die Zukunft entwickeln zu können. Mit der Sitzrichtung entscheidet sich viel, wenn nicht gar alles.Dr. Friedrich Brandi, Hamburg

In der Gegenwart das Kommende zu sehen ist besser, als in der Zukunft das Vergangene zu betrachten. Allerdings befindet man sich beim Zugfahren sozusagen immer etwas vor der Gegenwart bzw. hinter dem Kommenden, es sei denn, man schließt die Augen und genießt einfach das Sein.Johannes Herzog, Hohnstorf

Wenn man sitzenderweise Zug fährt – egal ob vor- oder rückwärts – sieht man weder das Vergangene noch das Kommende. Man sieht lediglich Rückenlehnen und Gesichter. Das Gegenwärtige sieht man, indem man nach rechts oder links aus dem Fenster schaut. Steht man am Anfang oder Ende des Zuges, wird einem sehr bald der Blick auf das Kommende oder Vergangene durch einen Vorhang verwehrt werden. Es gibt nur eine Möglichkeit, das Gewünschte zu sehen: Man muß sich aus dem Fenster lehnen. Dort kann man, schaut man nach vorn, das sehen was kommt (z.B. einen Signalmast). Schaut man nach hinten, sieht man das, was war (z.B. jemanden, der das, was kam, nicht gesehen hat).Jan-W. Dröge, Halle

Das kommt darauf an. 1) Bist du gerade depressiv und möchtest das weiter pflegen: Setze dich gegen die Fahrtrichtung und blicke trübselig zurück, vergegenwärtige die all dein Elend. 2) Bist du depressiv und meinst, es sei langsam genug: Setze dich in Fahrtrichtung, versuche abzuschließen mit Gewesenem und dich auf Künftiges zu freuen. 3a) Geht es dir gut, und es soll so bleiben: Setze dich in Fahrtrichtung und blicke frohen Mutes voraus. 3b) Es geht die ausnahmsweise mal gut: Setze dich gegen Fahrtrichtung und versuche zu analysieren, woran es liegt, um (vielleicht) daraus zu lernen. 4) Zur letzten Variante (es stinkt dir, daß es dir gut geht) fällt mir nur eine Variante ein: Leg dich in Fahrtrichtung vor den Zug.Peter Woltersdorf, Berlin

Weder noch. Ans Fenster stellen und in die Gegenwart schauen! Bei dieser Lösung muß man auch nicht ständig den Platz wechseln, wenn der Zug in Kopfbahnhöfen seine Fahrtrichtung ändert. Wer nun aber den vielen visuellen Eindrücken und den damit verbundenen Sprüngen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gänzlich entgehen will, sollte die Fahrt auf dem Klo verbringen – dort verhindert eine Milchglasscheibe zuverlässig die freie Sicht nach draußen.Rainer Bornemann, Göttingen

Die Blickrichtung selbst wählen zu müssen, ist eine Zumutung, die zu den bekannt mäßigen Dienstleistungen der Bahn gehört. Der Reisende muß seinen Kopf selbst bewegen, ohne daß es dem Beförderungsunternehmen einfiele, dies durch buntegekleidete Sehreizbojen zu erleichtern. Kostensparend setzt die Bahn hier auf die gegenübersitzende Gegenwart, welche einem gerade ins Gesicht grinst und den Blick in die Zukunft zu einem Reflex macht, der einen davor schützen soll, der Vergangenheit wieder zu begegnen.F. Dalaker, Berlin

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Stimmt es, daß alle Vögel in Dur singen? (31.1.98)

Da ein Dur-Akkord aus mindestens drei Tönen besteht, singen Vögel nur in Gruppen Dur. Vögel mit Moll-Air wurden seit der Entwicklung der Zwölftonmusik nicht mehr gesehen. Moll-Akkorde starben in der Natur aus, da bekanntlich nur die Harten in den Garten kommen. Ein entsprechender EU- Gesetzentwurf sieht aber vor, Goldammern sofort nach dem Stimmbruch zum Kammerton G zu verpflichten, Amseln zum A, Finken zum F, Drosseln zum D usw. Im Ornithologischen Garten in Singen hängen dann Partituren für Beethovens „Pastorale“ und Rossinis „Diebische Elster“ aus. Raben sind von der Teilnahme ausgeschlossen, Tonaufnahmen sind Gema-pflichtig.Burger Voß, Hamburg

Eine Ort namens Dur kenne ich nicht. Ich wohne in Berlin, und hier singen die Vögel auch.Stephan Duerr, Berlin

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Warum ziehen Männer ihren Pullover einarmig über den Kopf, Frauen dagegen mit zwei Armen und die auch noch gekreuzt? (31.1.98)

Die Männer besitzen leider nur ein verkümmertes Y-Chromosom. Die Frauen hingegen tragen ein vollkommmenes X-Chromosom in sich. Folgt man der Logik des genetischen Codes, so liegt klar auf der hand, daß die Frauen entsprechend dem „X“ die Fähigkeit besitzen, ihre Pullover mit beiden Armen und noch dazu über Kreuz ausziehen zu können. Die Männer sind in Bezug auf das Ausziehen eines Pullovers auf eine Möglichkeit beschränkt: Da im Vergleich zum X-Chromosom dem Y-Chromosom ein „Arm“ fehlt, zerrt der eine Arm am Stoff des Pullis, während der andere nutzlos, schlaff und verkümmert am Körper hängt.Clarissa Scherzer & Heiko Pick,

Hamburg

Frauen gelten ja mehrheitlich als erfahren im Gebrauch von Textilien und clever, was deren Einsatz betrifft. Daher kann leicht der Eindruck entstehen, sie wollten mit ihrer Methode hauptsächlich Kragenbündchen schonen und das gefürchtete Ausleiern der Strickware verhinden. In Wahrheit aber ist es bekanntermaßen reichlich anziehender, wenn nicht sogar dramatischer anzusehen, wie der Pullover beidhändig, mit einer die Prozedur leicht unterstreichenden Hüftbewegung, und nicht wie bei vielen Männern üblich mit einem entschlossenen Ruck einarmig über den Kopf gestreift wird.

Toller Nebeneffekt: Soll der Pullover danach in die Wäsche, liegt er gleich links herum! Dieses geheime Wissen geben die Mütter an ihre Töchter weiter, nicht jedoch an ihre Söhne.Anselm Bröse, Nürnberg

Beim Ausziehen des Pullovers mit zwei gekreuzten Armen wird zwangsläufig der Pulli umgestülpt und somit die Innenseite sichtbar. Für Frauen ist dies kein Problem, da sie 1. so geschickt sind, daß sie den Pulli wieder richtig herum drehen können und 2. nichts zu verbergen haben. Männer dagegen sind für ersteres zu faul (oder ungeschickt?) und haben zweitens die vom wochenlangen Tragen erzeugten Schmuddelränder zu verbergen.Ingrid, Ida und Nina Lorbach

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Warum ist der Mensch nur äußerlich symmetrisch, im Inneren aber nicht? (24.1.98)

Des g'hört so! Zum Beweis sehen man sich ein modernes Automobil an: Außen nahezu perfekt symmetrisch, aber im Inneren? Batterie links, Luftfilter rechts, Lenkrad links, Resreverad rechts usw. Der Grund: Es paßt einfach nicht alles in die Mitte! Bei genauerem Hinsehen bemerkt man, daß alles, was doppelt vorhanden, auch seiten- gleichmäßig verteilt ist, innen wie außen: Ohren und Arme ebenso wie Lungen und Nieren oder Scheinwerfer und Kotflügel.Ulrich Herbert, Stuttgart

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