Da waren's nur noch null

Die freien Träger warten auf 200 Stellen „Tariflohn statt Sozialhilfe“. Trotz Koalitionsvertrag stehen sie aber nicht im Haushaltsplan  ■ Von Silke Mertins

Nicole Heuer läuft nicht gerade vom Glück geküßt durchs Leben: Sozialhilfe-Empfängerin, Wohnsitz Heimfeld-Nord, keine Berufsausbildung; wegen der beiden Kinder ist sie seit sechs Jahren zu Hause. Gerne würde die 27jährige bei dem bezirklichen Beschäftigungsträger „GATE“in einem der quartiersnahen „Service-Zentren“arbeiten: In Schwierigkeiten geratenen Familien zur Hand gehen, die Kinder versorgen, beim Mittagstisch des Zentrums mithelfen, mit der Oma zum Arzt gehen – „daran hätte ich Spaß.“Um die Ecke ist es obendrein, erreichbar ist es trotzdem nicht. „GATE“könnte ihr nur eine ABM-Stelle anbieten. Darauf aber hat sie als Sozialhilfeempfängerin keinen Anspruch.

Grund der Fehlplanung: Die Stadt schanzt den Bärenanteil der Stellen „Tariflohn statt Sozialhilfe“den beiden staatlichen Beschäftigungsträgern „Hamburger Arbeit“und „Hamburg West“zu. Für die freien Träger, die erheblich stadtteilorientierter arbeiten, bleibt so gut wie nichts aus dem Topf übrig.

Eigentlich wollte die GAL diesem Mißstand mit Rotgrün endlich an den Kragen. 200 neue Stellen für Sozialhilfe-EmpfängerInnen sollten bei den freien Trägern geschaffen werden. So steht es auch schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag. Das Programm sollte „über das bisherige Maß hinaus auf quartiersnah orientierte freie Träger ausgeweitet“werden. Doch im Haushaltsplan 1998, über dem die Bürgerschaft zur Zeit brütet, tauchen diese geplanten Zusatzstellen nicht als feste Größe auf. Dort ist lediglich vermerkt, daß die Arbeitsplätze „im Rahmen der verfügbaren Kassenmittel“geschaffen werden müssen. Das bedeutet: falls woanders Geld übrig bleiben sollte.

Der SPD-HaushaltsausschußVorsitzende Jan Ehlers kann darin keinen Widerspruch erkennen. „Wir haben das nicht für den Haushaltsplan 1998 vereinbart.“Vielleicht also im nächsten Jahr. Die GAL ist da entschieden anderer Meinung. „Wir hatten durchaus die Erwartung, daß die Vereinbarung schon für 1998 gilt“, schnupft die haushaltspolitische Sprecherin Anja Hajduk. „Die von uns gewünschte Veränderung ist im Haushaltsplan nicht erkennbar.“Und deswegen sehe sie „Verhandlungsbedarf“. Unterstützt wird sie dabei von dem grünen Arbeitsmarktpolitiker Norbert Hackbusch, der die eigenwillige Interpretation des Koalitionsvertrages für „falsch“hält. In einer Zeit, „wo auch der ABM-Markt zusammenbricht“, sei das nicht hinnehmbar.

Daß es etwa im Normalfall nicht möglich ist, kleine Projekte für ehemalige Prostituierte aufzubauen – wie die Textilwerkstatt in St. Pauli, die mit einer Sondergenehmigung arbeitet –, Beschäftigungsmöglichkeiten für Substituierte in Ottensen oder Qualifizierungsprogramme für Alleinerziehende in Neuwiedenthal aufzubauen, halten Grüne für absurd. Gerade die freien Träger arbeiten mit einer Klientel, die meist keinen Anspruch auf ABM-Stellen vorweisen kann.