■ Nebensachen aus Kairo: Ägyptens Paschas werden abgeschafft
„Guten Tag, mein Pascha.“ „Aber natürlich, mein Bey.“ „Wird sofort erledigt, Herr Doktor.“ Sei es der Metzger, Gemüsehändler, Taxifahrer oder Briefträger – in Ägypten sind alle Weltmeister darin, ihrem halbwegs gebildeten, europäisch gekleideten Gegenüber den linguistischen roten Teppich auszulegen.
Ehrentitel gibt es viele in einem Land, in dem selbst in einem Café der Ober mit den Worten „Herr Präsident“ herbeigerufen wird. Da wird der kleine Straßenpolizist, der verzweifelt versucht, den chaotischen Kairoer Verkehr in geregelte Bahnen zu lenken, schnell zum „Captain“, der mit Öl beschmierte Automechaniker zum „Herrn Ingenieur“ oder jeder, der lesen und schreiben kann, zum „Herrn Professor“.
Gerade die alten feudalen türkischen Bezeichnungen Bey und Pascha wurden in der neueren ägyptischen Geschichte schon oft zum Politikum. Zu Zeiten der arabischen sozialistischen Gleichheit in den 50ern und 60ern waren sie vom Volk verpönt und von den revolutionären jungen Offizieren zum Tabu erklärt worden. Die Monarchie war abgeschafft, und statt der Beys, der Paschas und der restlichen Untertanen sollte es fortan nur noch Bürger einer Ägyptischen Republik geben.
Doch mit der wirtschaftlichen Liberalisierung der 70er, Weltbank-Strukturanpassung der 80er und Privatisierungen der 90er Jahre brach erneut die Zeit der standesgemäßen Unterschiede an. Die wahren Beys und Paschas von heute sind im Importgeschäft tätig, fahren Mercedes und tragen Samsonite-Koffer, in denen das Handy piepst. Dem wollten die hohen Herren in den zahlreichen Ministerien und die Offiziere des Sicherheitsapparats selbstverständlich nicht nachstehen. Sie lassen sich nun wieder vorzugsweise mit den alten türkischen Ehrentiteln ansprechen.
Doch wenn es nach dem Willen des neuen Innenministers geht, dann soll mit diesem post- kolonialen Spuk in den Rängen der Polizei Schluß sein. Laut seinem Erlaß sollen die Paschas jetzt wieder zu ordinären Generälen werden, während die Beys zu Majoren und Hauptmännern degradiert werden.
Das Außenministerium zeigte sich begeistert von der Idee, die alten Ideale der Republik Ägypten erneut hochzuhalten und schloß sich prompt an. Aus offiziellen Schreiben des Ministeriums sind die Anreden Pascha und Bey nun verbannt. Und überhaupt, so der Minister, sollen seine Beamten im diplomatischen Dienst endlich aufhören, Attachés in den Anreden zu Botschaftern hochzureden, während die Botschafter als Unterstaatssekretäre betitelt werden.
Die erste Reaktion der Bediensteten auf den Beschluß ihres vorgesetzten Ministers fiel positiv aus: „Keine Beys und Paschas mehr! Selbstverständlich – ganz wie Sie es wünschen, wird sofort erledigt – mein Pascha.“ Karim El-Gawhary
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