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Begehrte beste Bohnen

■ Mühsam befreien sich Guatemalas Kaffeekleinbauern von einheimischen Multis. In San Juan bauen sie seit neun Jahren exzellenten Ökokaffee mit Erfolg an. Sandino-Dröhnung ade? Ein Bericht von Annette Wagner

Die Kooperative liegt am Ufer eines kristallklaren Vulkansees. Sie heißt: der Rufer in der Wüste, „La voz que clama en el desierto“. Einsame Rufer in der Wüste sind die Kaffeekleinbauern aus dem Dörfchen San Juan nicht. Wie sie stellen sich immer mehr Kaffeekooperativen Guatemalas auf umweltfreundlichen Anbau um. Und das ist doppelt fortschrittlich: ökonomisch clever, weil der Kaffee gemeinsam verarbeitet und vermarktet werden kann. Und ökologisch vorbildlich, weil die Parzellen in San Juan seit neun Jahren spritz- und düngemittelfrei bewirtschaftet werden.

Die Kleinbauern haben erkannt, daß Raubbau am Boden in eine Sackgasse führt und flächendeckendes Chemiebombardement langfristig ihr Land und damit ihre Lebensgrundlage vernichtet. Das Prädikat Öko birgt zudem die Chance, sich über diese Nische auf dem hart umkämpften Kaffeemarkt ein neues Segment zu erobern. Das aber können die Kleinen nur gemeinsam – und ausschließlich in Zusammenarbeit mit Organisationen wie der deutschen Gepa oder der österreichischen EZA schaffen. Ein einzelner Kaffeebauer kann den Umstieg auf Ökobewirtschaftung nicht bewältigen.

Daß ökologischer Anbau dort leichter Früchte trägt, wo der Boden ökonomisch bereitet ist, kann man in den Kleinplantagen rund um den Atitlánsee beobachten: Ein Großteil des weltweit begehrten guatemaltekischen Hochlandkaffees kommt aus dieser Region. „Wir bauen hier den besten Kaffee der Welt an – und trinken den schlechtesten“, kommentieren die Kaffeebauern von San Juan. Die besten Bohnen gehen in den Export. Nur die dritte Wahl, Bohnenschalen und –häute, kommen in die heimischen Kaffeetöpfe. „Estrictamente duro“ heißt die hochwertige, in 1.500 Meter Höhe angebaute Kaffeesorte in der Fachsprache. Ein weiteres großes Plus der Atitlán-Region ist ihr guter Boden: Die Kaffeesträucher wurzeln hier in fruchtbarer vulkanischer Erde.

Doch auch der beste Boden wird weggewaschen und ausgelaugt, wenn man ihn nicht pflegt. Für die Umstellung auf ökologischen Kaffeeanbau holte sich die Kooperative von San Juan Hilfe vom Genossenschaftsdachverband G14: Deren Experte unterrichtete die örtlichen Jungbauern in traditionellen Bodenpflegemethoden. Von ihm lernten Juan Alberto Cholotio und seine Genossen, die ansteigenden Hänge in mühevoller Handarbeit zu terrassieren und zu befestigen.

Sie lernten, daß sie in ihre Kaffeeplantagen mehr schattenspendende Fruchtbäume, Bananenstauden etwa, pflanzen müssen. Daß zusätzlich ausgelegte Bananenblätter helfen, die Bodenfeuchtigkeit zu halten. Auch gegen Schädlingsbefall sind Mischpflanzungen besser gefeit als Monokulturen. G14 leistete nicht nur Hilfe zur Selbsthilfe, sondern unterstützte die Bauern auch praktisch – zum Beispiel mit einem Parasiten-Fliegen-Programm: Der Berater brachte Moskitos mit, die bevorzugt Schädlingslarven fressen.

Vier Jahre dauerte es in San Juan, ehe sich der Boden von der Chemiedüngung erholt hatte. Seit fünf Jahren vermarkten die Kleinbauern San Juans nun Ökokaffee. Ohne die Rückendeckung der Kooperative hätte keiner diese Durststrecke durchgehalten: Die Mitglieder konnten auf einen festen Mindestabnahmepreis für ihre Kaffeekirschen rechnen – auch dann, wenn der Kaffeepreis wegen Börsenspekulationen mal wieder im Keller war.

Die Kooperative besorgte das Startkapital für den Einstieg in den Ökokaffeemarkt: Für die Erstzertifizierung mußte man einen hohen Kredit aufnehmen. Den hätte ein einzelner Bauer von der Bank nie bekommen. Ein Prozent des Jahreseinkommens muß die Kooperative übrigens für das Ökozertifikat der US-amerikanischen Firma Ocia abführen.

Gemeinsam konnten die Bauern von San Juan auch die neue, mit einem umweltfreundlichen Abwasserfilter ausgestattete Bohnenschälmaschine finanzieren. Der Atitlánsee sieht zwar kristallklar aus, ökologisch gefährdet ist er jedoch trotzdem. Daran sind einerseits die ungeklärt einflutenden Abwässer der Dörfer und Hotels am touristisch erschlossenen Nordufer schuld. Das seit 1988 laufende millionenschwere EU-Projekt ALA soll die Wasserqualität verbessern, indem es die Abwasserentsorgung der Privathaushalte in der Atitlánregion regelt. Doch bislang hat man im direkt am Seeufer gelegenen Tourismuszentrum Panajachel weder eine intakte Kanalisation noch eine Abwasseraufbereitungsanlage geschaffen. Zweiter großer Verschmutzungsfaktor sind die großen Kaffeeplantagen am Südufer. Tropische Regengüsse spülen die chemisch überdüngte Erde in den See, das giftgetränkte Abwasser aus den Verarbeitungsanlagen gibt ihm den Rest. Daß die Atitlánregion seit 1995 Naturschutzgebiet ist, hält die Großgrundbesitzer von Umweltsünden bisher nicht ab.

Auch die Kleinbauern aus San Miguel Tzampetey, einem Weiler, der malerisch schön, aber weitab von jeglicher Handelsstraße hoch über dem Atitlánsee liegt, entsorgten die braunen Abwässer früher ungefiltert in den See. Bis die sozialdemokratische Friedrich-Ebert-Stiftung einen Berater dorthin schickte. Mit den Dorfbewohnern baute er ein simples Kanalisationssystem: Heute fließen die Abwässer in Sickergruben – und danach durch den natürlichen Filter der örtlichen Gemüsefelder ins Erdreich ab.

Die Kooperative Tzampetey wird auch von „Aspecagua“ unterstützt, einem weiteren Dachverband, in dem sich seit 1992 die Kleinsten der kleinen Kaffeebauern zusammengeschlossen haben: Gestützt durch europäische Fairtrade-Partner, kann die Organisation ihnen Abnahmegarantien geben. Sie erhalten unabhängig vom Börsenkurs einen festen Mindestpreis pro Sack Kaffee. Das bedeutet Planungssicherheit: Die Kaffeebauern von Tzampetey müssen sich dem Preisdiktat der über die Dörfer fahrenden lokalen Kaffeeaufkäufer, der Koyoten, nicht mehr unterwerfen.

Finanziell lohnt sich ökologischer Anbau bisher kaum. Bio oder chemo? Auf den ersten Blick scheint klar, daß der teils aus Pflanzenverschnitt, teils aus Tierkot gewonnene Naturdung erheblich billiger sein muß als der teure Kunstdünger. Doch dieser Naturdung muß erst mal hergestellt werden. Darüber hinaus ist er weniger effektiv als Kunstdünger und muß deshalb häufiger ausgebracht werden. Und er hat schließlich einen weiteren entscheidenden Nachteil: Er ist schwer. Ihn an abgelegene oder steile Hänge zu transportieren ist mühsam, manchmal unmöglich.

Natürliches Düngen kostet unterm Strich also erheblich mehr Zeit. Doch was Arbeitskraft wert ist, fließt in Guatemala selten realistisch in Kosten-Nutzen-Rechnungen ein. In dem Land mit einer Arbeitslosenquote von nahezu 50 Prozent sind helfende Hände im Überfluß vorhanden – und deshalb billig: Auch Kinder arbeiten hier bei der Kaffee-Ernte üblicherweise mit. In jenen Kooperativen, die mit fairen Handelspartnern zusammenarbeiten, bedeutet ökologischer Anbau also unter Umständen ein kleines Ertragsplus, wenn eine Handelsverbindung in die begehrten westlichen Abnehmerregionen zustande kommt.

Denn mit dem Transfair-Gütesiegel ausgezeichnete Firmen zahlen Zuschläge für kooperativ-ökologisch angebauten Kaffee – und damit einen angemesseneren Preis pro Sack als rein kommerzielle Aufkäufer. Doch eine Überlebensgarantie für jeden einzelnen, der geholfen hat, diesen Sack zu füllen, ist auch dieser Bonus nicht.

Finanziell machen die Kleinbauern mit der Umstellung auf ökologischen Kaffeeanbau bisher keinen großen Sprung: Umweltschonend bewirtschafteter Boden wirft nicht mehr ab als chemisch gedüngter – mehr Erlös ebenfalls nicht. Denn noch wird der geringere Mehrpreis, den sie derzeit für ihren Ökokaffee erhalten, durch die höheren Kosten für die getrennte Lagerung und Vermarktung geschluckt.

Trotz aller Unsicherheiten ist der Kooperativenverbund für die Kleinbauern die einzige Chance, vermarktungsfähige Mengen Ökokaffee zusammenzubekommen. In Regierungskreisen hat der ökologische Kaffeeanbau bisher allerdings keine Lobby. Die Volksvertreter in Guatemala-Stadt sind weit davon entfernt, Ökoagrarwirtschaft als Investition in die Zukunft des Landes zu begreifen oder gar zu unterstützen. Interessenvertretern aus der Kaffeebranche hingegen scheint es nicht zu gefallen, daß Verbände wie G14 und Aspecagua den Ärmsten der Armen helfen.

Zwei G14-Vertreter wurden im vorigen Frühjahr ermordet – trauriger Beweis dafür, daß der Schulterschluß der kleinen Kaffeebauern durchaus als Konkurrenzfaktor angesehen wird. Offenbar paßte es den Großgrundbesitzern nicht, daß ihre Tagelöhner sich von ihrem Dasein befreien und auf dem Kaffeemarkt künftig selbständig mitmischen wollen.

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