: Im Gesicht der Zunge lesen lernen
■ Projektwoche des Deutschen Roten Kreuzes zur chinesischen Medizin / Neuer Bremer Schwerpunkt
Es gibt immer mehr ernstzunehmende Menschen, die sich Nadeln in den Hals stechen lassen. Räucherstäbchen ins Ohr schieben lassen. Obskure Wurzeln aus London kommen lassen, die dann lange köcheln müssen, bevor sich die ernstzunehmenden Menschen das rattengiftähnliche Gebräu (vor dem Frühstück, versteht sich!) einflößen. Auch verdrehen sie gern im Frühtau des Bürgerparks ihre Körper nach der Art angeschossener Wildgänse. All das darf man heute tun, ohne ausgelacht zu werden, denn wenn eins in ist, dann die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM).
Wenn alle drüber reden, bedeutet das aber nicht, daß man hierzulande besonders gut informiert wäre über TCM. Um mehr Wissen als bisher über diese fernöstliche Heilkunst unters Bremer Volk zu bringen, veranstaltet das Deutsche Rote Kreuz (DRK) vom 16. bis 22. Februar im Zentralkrankenhaus St. Jürgen-Straße eine Projektwoche zu just diesem Thema.
Zweckmäßigerweise fliegt das DRK leibhaftige chinesische Professoren des Shanghaier Longhua-Krankenhauses ein, damit sie in Bremen dozieren. Funktioniert doch chinesische Medizin dem Vernehmen nach nicht als schiere Technik – ein Portiönchen Philosophie muß immer dabei sein. Sonst geht es uns wie jenem chinesischen Bauern, der aus einer christlichen Missionsstation einen Sack voll Antibiotika mitgehen ließ und damit in seinem Dorf erhebliche Wunder vollbrachte, ohne zu kapieren, was er tat. Auch chinesische Medizin ist mehr als Pieksen gegen Heuschnupfen.
Immerhin recht verbreitet ist die erstaunliche Wirksamkeit chinesischer Medizin, wenn es um die Kontrolle von Schmerzen geht. Ein Vortrag über „Die Behandlung von Schmerzerkrankungen“eröffnet die Projektwoche (Montag, um 18 Uhr). Am Dienstag zur gleichen Zeit geht es um die „Behandlung chronisch-entzündlicher Erkrankungen“, am Donnerstag ebenfalls um 18 Uhr um die „Behandlung von Erkrankungen der Verdau-ungsorgane“.
Das Wochenende (21./22. Februar) richtet sich vornehmlich an Therapeuten der chinesischen Medizin. Samstag ab 10 Uhr zeigt man sich die Zunge, fühlt des Nächsten Puls, wenn es um den „Stellenwert der Zungen- und Pulsdiagnose“geht. Am Nachmittag dreht es sich um Krankheiten, an denen die hiesigen Medizinmänner inkl. Medizinfrauen regelmäßig scheitern: „Behandlung von Neurodermitis, Asthma und Allergien“. Am Sonntag werden zwei Workshops angeboten: „Grundlagen von Tuina und Akupunktur in der Behandlung von Kopfschmerzen und Migräne“sowie „Grundlagen von Tuina und Akupunktur in der Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen“.
Die skizzierte Projektwoche ist nicht etwa als einmaliges Aufzucken hyperaktiver Rotkreuzler anzusehen – im Gegenteil: Der DRK-Kreisverband Bremen startete bereits im letzten Jahr ein „Projekt Chinesische Medizin und Gesundheitsförderung“, welches schließlich in der Einrichtung einer Ambulanz für Traditionelle Chinesische Medizin, womöglich noch in diesem Jahr, münden bzw. gipfeln soll. In dieser vom DRK betriebenen Ambulanz sollen deutsche und chinesische Fachleute (letztere aus der Bremer Partnerstadt Dalian) „Hilfe suchenden kranken Menschen den theoretischen Hintergrund und das volle Potential der chinesischen Medizin zur Verfügung stellen“(DRK). BuS
Projektwoche „Chinesische Medizin“, vom 16. bis 22. Februar, Zentralkrankenhaus St. Jürgen-Straße, Zentrum für Innere Medizin
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