: Bayern beliebter als Hertha
■ Volles Stadion garantiert: Hertha BSC heute um 15.30 Uhr gegen Bayern München
Die Bayern kommen! Und schon teilt sich das Fußballvolk unweigerlich in Bewunderer und Hasser des Rekordmeisters aus München. Bayern polarisiert. Angewiderte Puristen, die sich der grenzenlosen Vermarktung des „Phänomens Bayern“ widersetzen, würden den Mannschaftsbus mit den verhätschelten Multimillionären um „Edelfeder“ Lothar Matthäus („Mein Tagebuch“) am liebsten an der Stadtgrenze abweisen wie einen Castor voll Atommüll.
Fakt ist: Die Hauptstadt „brennt“ auf den amtierenden Meister. „Wir hätten 140.000 Karten absetzen können“, staunt Hertha-Manager Dieter Hoeneß vor dem heutigen Auftritt im Olympiastadion. Da jedoch nur 76.000 Interessierte in die Arena passen, bleibt fast die Hälfte der Nachfrage unberücksichtigt.
Es steht zu vermuten, daß es sich bei den Ausgeschlossenen um Bayern-Supporter handeln düfte. Peinlich berührt, hält Hertha BSC eine Umfrage unter Verschluß. Demnach genießen die Bajuwaren hier mehr Popularität als die einheimische Hertha. „Ja, das stimmt, aber wir holen stark auf“, erklärt Pressesprecher Gerd Graus.
Wenigstens braucht Hertha- Trainer Jürgen Röber seine Mannen nicht extra auf die Schwere ihres Tuns hinzuweisen. „Jeder ist hochmotiviert“, hat Röber erkannt, der „Kampf um jeden Meter Rasen“ befiehlt, da die Bayern nicht in dem Ruf stehen, für Siege sonderlich hart arbeiten zu wollen. Als Paradebeispiel für diese Leichtigkeit des Seins gilt Bayern-Regisseur Mario Basler, der zu Beginn der 90er Jahre auch bei Hertha BSC ein Gastspiel gab. Damals urteilte sein Trainer Bernd Stange, „Super-Mario“ sei bis zum Hals Weltklasse, darüber aber höchstens Kreisklasse. Auch Herthas aktueller Coach hatte den gebürtigen Pfälzer zu gemeinsamen Essener Zeiten unter seinen Fittichen. Entweder er wird ein Star oder landet am Bahnhof Zoo, prophezeite Röber dem Mittelfeldakteur.
Seitdem gilt Basler, der trotz seiner 30 Lenze als Deutschlands ältestes Wunderkind gehandelt wird, als permanenter Grenzgänger zwischen Genie und Wahnsinn, der mal auf dem Rasen, mal am verrauchten Biertresen zur Höchstform aufläuft. Eines ist Basler unbestritten: Aufgrund seiner geistigen Verfassung ist er für Pässe in den leeren Raum prädestiniert. Setzt er seine mentalen Blaupausen auch noch in die Wirklichkeit um, droht Hertha Ungemach.
„Wir haben nichts zu verlieren“, scheint Berlins Sturm-Hoffnung Andreas Thom vor so viel Spielintelligenz zu resignieren. Zumal Leistungsträger wie der Norweger Rekdal (Wadenbeinbruch) sowie Verteidiger Herzog (Kieferoperation) gegen den Meister zur Untätigkeit verurteilt sind.
Traditionell kommen die Preußen mit den bayerischen Kickkünsten schwerlich klar. Der letzte Hertha-Sieg gegen die Münchener Bayern datiert aus der Saison 1977/78, als zu Hause ein 3:1 gelang. Jürgen Schulz
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