: „Umfangreiche Umhängeaktion“
Wie die ungeliebte Dezentralisierung der Ausländerbehörde teuer gerechnet wird: Absurde Umzugskosten und jede Menge Computer ■ Von Silke Mertins
„Zu teuer“, lautete bisher das Totschlagargument der Innenbehörde, wenn es um die Dezentralisierung der Ausländerbehörde ging. Die öffentlichen Proteste angesichts der endlosen Warteschlangen vor dem Alptraumgebäude eines jeden Migranten in der Amsinckstraße bewirkten im vergangenen Jahr immerhin, daß die Anträge in den Bezirken angenommen werden. Doch eine „echte“Dezentralisierung mit Aktenbearbeitung vor Ort soll her, steht im rot-grünen Koalitionsvertrag geschrieben.
Morgen will sich noch einmal der Senat mit dem Thema befassen. Vor einer Woche wurde der Beschluß vertagt. Zentrales Gegenargument: Die Kosten sind zu hoch. 4,5 Millionen Mark werden für den Umzug und die Umstrukturierung veranschlagt. Die Aufschlüsselung der Summe liest sich jedoch wie ein Paradebeispiel für aus den Fugen geratene Behördenrechenkünste, wie sie alljährlich vom Landesrechnungshof vorgetragen werden.
Allein um festzustellen, wohin eine Ausländerakte künftig gehört, werden 2.750.000 „Arbeitsminuten“berechnet. Zu diesem Arbeitsvorgang heißt es im Behördendeutsch: „Durchsuchen und Feststellen der neuen Zuständigkeit sowie Ein-/Auspacken und Annahmen der Akte“. Das kostet über 1,3 Millionen Mark. Der dann endlich glücklich zugeordneten Akte soll in der neuen Wirkungsstätte jedoch nicht das alte Regal zugemutet werden. Für die „umfangreichen Umhängeaktionen“sind neue Regale geplant, die 231.000 Mark kosten.
Nicht minder unbescheiden sind die veranschlagten Summen für die Datenverarbeitung. Um das Computersystem der Ausländerbehörde – „PAULA“– um Datenbankfelder wie Ortskennungen und Statistik-erhebungen zu erweitern, ist fast eine halbe Million Mark vorgesehen. Knapp 400.000 Mark kostet es darüber hinaus, daß „PAULA“– der ähnliche Funktionstüchtigkeit nachgesagt wird wie den neuen Hamburger S-Bahnen – künftig besser mit „MEWES“, einem anderen Behördensystem, kommunizieren kann. 18.000 Mark kostet allein die „Wartung Schnittstelle PAULA/MEWES“. Dazu kommen neue Drucker, Verkabelungen, Baumaßnahmen und zusätzliche Computerarbeitsplätze. Summa summa-rum: 2,15 Millionen Mark verschlingen laut behördlicher Berechnung die Computeranschaffungen, die durch die Dezentralisierung verursacht werden.
Die übrigen Kostenfaktoren muten nicht minder bemerkenswert an. 110 zusätzliche Stellen seien für die Dezentralisierung unabdingbar. Fünf Schulungsarbeitsplätze seien mit Computern auszustatten. Die „Schulungssachkosten“belaufen sich auf 18.000 Mark, und das „Sicherheitssystem“ist mit 23.000 Mark auch nicht eben billig.
„Wir gehen nicht davon aus, daß die Dezentralisierung am eisernen Sparwillen scheitern wird“, gibt sich die GALierin Anna Bruns optimistisch. Nachrechnen könnte dennoch nicht schaden.
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