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Seelenschmelze in Winterlandschaft

■ Heartbreaker's Ball: Bremens Kontaktbörse für einsame Herzen / Die wahre Qual der Wahl: rote oder grüne Buttons

Eine Weile war es um Dr. Blohm und Herrn Voss etwas stiller geworden, aber am Freitag nahm sich das Duo zusammen mit 500 anderen vereinsamten Mitdreißigern Zeit, um den „Heartbreaker's Ball“im Modernes unter die kulturelle Lupe zu nehmen.

Herr Voss: Na, viele einsame Herzen sind ja noch nicht da! Wir sind wohl nicht spät genug.

Dr. Blohm: Haben sie die Schilder gesehen, „Apre's Ski“? Und diese ganze Eiszapfen-Dekoration mit Kunstschnee-Gebläse. Ich spüre schon jetzt die kritische Aggression in mir aufsteigen.

Voss: Anbetracht der milden Außentemperaturen hat das Interieur schon satirischen Charakter.

Blohm: Das ist mir egal. Aber es ist heutzutage wohl nicht einfach etwas anspruchsvoll zu sein. Leute werden auf der Bühne an einen Biertisch gesetzt und abgefüllt bis alle Kriterien verschwimmen. Haben Sie die beiden als Heidi verkleideten Frauen gesehen ? Die sind für die ganz Verklemmten zum Verkuppeln engagiert. Haben Sie sich diesen entwürdigenden roten Lover-Button eigentlich nur angeheftet, um den Damen vom Stadtmagazin zu imponieren oder sind sie unterschwellig auch auf Brautschau?

Vos: Hätte ich den gelben Bitte-nicht-ansprechen-Butten gewählt, sähen Sie mit Ihrem auswürgwilligem Griesgram jetzt alt aus.

Blohm: Kleben Sie sich doch noch die Nummer einer Kontaktanzeige neben ihren roten Punkt.

Voss: Sie haben doch nur die Order ihrer Frau, daß Sie es nicht wieder zu toll treiben sollen.

Blohm: Dabei war die Rede vom Trinken, aber lassen wir das. Unfassbar, manche Männer haben gleich zehn rote Buttons am Revers! Der Typ mit der „Bremer“-Mütze ist wohl auch für die Leserinnen/Blatt-Bindung zuständig. Ist das nicht der Erfolgsproduzent von dieser Spice Girls-Kopie ? Meine Güte, der macht auch vor nichts halt.

Voss: Später wird Ihnen Ihr blauer „ich bin cool“-Button auch nichts mehr nützen. Wenn der Amüsierlevel weiter steigt, werden irgendwelche Damen anfangen, sich selbst für Sie zu interessieren.

Blohm: Was soll denn das bitte heißen. Ich bin in der Blüte meiner Jahre.

Voss: Achtung, jetzt wird auf Kommando getanzt. DJ Schabbaheinz ist keine Masche zu billig. Früher gehörte dem mal „Heinzi's Milchbar“in Vegesack, aber der Laden wurde dichtgemacht, weil die Türen nur nach innen aufgingen.

Immerhin ist jetzt aus Heinzi ein Heinz geworden. Aus Kindern werden Leute.

Blohm: Ihr profundes Regionalwissen überrascht mich immer wieder, Voss.

Voss: Man trifft so diesen und jenen im Laufe der Jahre. Hat das hier eigentlich etwas mit freier Liebe zu tun ?

Blohm: Eher mit Liebe per Preisausschreiben, ein inszeniertes Kennenlernerlebnis, Romantik mit Keule.

Voss: Hinter uns hat eine von den Kuppel-Heidis gerade zwei einsame Herzen zusammengeführt.

Blohm: Der Bursche betätschelt sie, bevor sie seinen Namen verstanden hat.

Voss: Und schon wendet er sich wieder seinen Kumpels zu, während sie stumm danebensteht. Später wird das bei denen wohl auch nicht anders sein.

Blohm: Das ist schon eine ganz andere Welt. Die Leute lernen außerhalb ihrer Firma wirklich niemand kennen. Man steckt nicht drin.

Voss: Die Dame hinter dem Pfeiler scheint Sie im Visier zu haben.

Blohm: Seien Sie nicht albern, Voss. Die guckt an mir vorbei. Oh nein, sie hat mir zugeprostet !

Voss: Jetzt kommen Sie wohl ins Schwitzen, was ? Die sieht doch ganz nett aus. Vieleicht gewinnen sie zusammen den Skiurlaub in die Schweiz.

Blohm: Und lasse mich dafür von Markus Rudolph auf die Bühne zerren und zum Luftballontanz verleiten, nein, nein, nein.

Voss: Sie kommt herüber, Blohm...

Blohm: Ich verschwinde. Ich kann die rassistischen Japan-Witze dieses Jugendfunkers nicht mehr ertragen. Wir treffen uns am Ausgang.

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