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„Besser, Dienstag, vielen Dank“

■ Nach dem 1:2 der allzu ökonomischen Bayern bei Hertha BSC muß Giovanni Trapattoni einen Notplan entwickeln, um im Titelrennen zu bleiben

Berlin (taz) – Einmal, ein einziges Mal brandete zustimmender Beifall auf im Olympiastadion für eine Aktion des FC Bayern München. Das war, als Giovanni Trapattoni sich am Spielfeldrand flink in Postion brachte und einen leicht verirrten Ball mit dem Spann ansaugte. Schön, aber für 90 Minuten ein bisserl wenig, zumal für ein Team, das seinen Titel zu verteidigen gedenkt. So ist nun natürlich die Aufregung groß. Bayern „zertrümmert“, meldete gestern hoffnungsfroh Bild am Sonntag.

Soweit ist es nicht. Aber die Frage mal wieder: Was ist los? Lief doch grade noch alles nach Plan. Keine Aufregung, die Restrunde wurde mit souveränen Erfolgen gegen den HSV (3:0) und Hansa Rostock (2:0) begonnen, heruntergearbeitet per ökonomischer Trapattoni-Spielweise. Und nun war man plötzlich zu ökonomisch und damit hilflos gegen den Aufsteiger Hertha BSC Berlin. Der Bayern- Trainer suchte und kam zu dem Schluß: „Ich habe meine Mannschaft nicht gesehen.“

Damit könnte er speziell seine Außen Basler und Lizarazu gemeint haben. Insbesondere der Versuch scheiterte, Tarnat nach innen zu verschieben und den Rekonvaleszenten Lizarazu auf links zu postieren. Über außen ging nichts, im zentralen Mittelfeld auch nichts – die Bayern spielten dermaßen uninspiriert, daß man sich im Stadion trotz ihrer Niederlage um das große Gefühl betrogen fühlen mußte.

War Hertha so gut? Man könnte so sagen: Hertha zeigte jene Qualitäten, die sich der Aufsteiger im Lauf der Vorrunde hart erarbeitet hat. Das heißt: Man brachte Zweikampfstärke, taktische Disziplin und läuferisches Engagement auf den Platz, riskierte wenig und machte keine Fehler. Oder, wie Hertha-Trainer Jürgen Röber nüchtern sagte: „gearbeitet, gefightet und stellenweise auch Fußball gespielt“.

Hertha-Toremacher Michael Preetz symbolisiert diese derzeitige Hertha. Der bisweilen etwas ungelenk wirkende Stürmer hatte beim 1:0 (18.), seinem 8. Saisontor, „spekuliert, daß Kahn einen Schritt macht“, als er allein auf den Keeper zuschritt. Der tat ihm den Gefallen, und so sah es aus, als sei Toreschießen für Preetz die selbstverständlichste Sache der Welt.

Der für ihn Hauptzuständige Thomas Helmer wies jede Schuld von sich, war aber auch beim zweiten Tor nicht zur Stelle, als Karl den Kollegen Preetz losschickte und der den Ball zum Torschützen Covic (70.) querlegte. Selbst den Bayern-Treffer mußte Preetz übernehmen. Das erste Eigentor einer wechselhaften Karriere ereilte den Ersatzkapitän, als Scholls Eckstoß so plötzlich daherkrachte, „daß ich den Kopf nicht mehr wegkriegte“. Es war kein Problem. Das „Kollektiv“ (Preetz) Hertha hat eben dazugelernt, seine Protagonisten sind mit voller Konzentration gemeinsam bei der einen Sache – die unablässig von allen beschworenen 40 Punkte gegen den Abstieg zu erreichen.

Die Bayern aber müssen sich bereits um das morgige DFB-Pokalhalbfinale kümmern, die Champions League – und haben zudem Individualinteressen zu wahren, was die nationale Frankreichreise im Sommer anbelangt. Da kann man schon mal unaufmerksam sein, auch wenn der Trainer extra „Vorsicht!“ gesagt hatte.

So hat man nun plötzlich fünf Punkte Rückstand. „Fünf Punkte sind viel“, sagte Trapattoni einmal. Ein anderes Mal sagte er: „Fünf Punkte sind nicht so viel.“ Beides stimmt. Der Italiener sagt, er wisse seit Oktober, daß der 1. FC Kaiserslautern die „richtige Mentalität“ habe und zudem den Vorteil der Hingabe an eine Sache.

Was tun? Trapattoni wischte mit großer Geste eine Hand durch die Berliner Luft, um es zu demonstrieren. „Wir müssen“, sagte er und machte sein berühmtes Trapattoni-Gesicht, „eine normale Linie spielen.“ Und zwar jedesmal. Schongänge kann man sich keine mehr leisten. Der supernüchterne Kapitän Thomas Helmer fürchtet zwar schon, es sei „nicht mehr viel zu holen“. Da kommt er aber bei Trapattoni an den Rechten. „Wir müssen glauben“, sagte der und entwickelte folgenden spektakulären Notplan: „Schnell, besser, Dienstag, vielen Dank.“ Keine Ursache, klingt vielversprechend. Peter Unfried

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