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Ruandas Völkermörder vor Gericht

Das UN-Tribunal in Arusha beschleunigt seine Arbeit: Mit Gratien Kabiligi wurde der bisher höchstrangige Stratege der früheren ruandischen Armee formell angeklagt. Demnächst wird die Rolle der UNO beleuchtet  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – „Herr Vorsitzender, es gab keinen Völkermord. Es gab einen Krieg. Ich plädiere auf nicht schuldig.“ Mit diesen Worten trat Gratien Kabiligi, ehemaliger ruandischer Brigadegeneral, am Dienstag vor das UN-Tribunal über den Völkermord in Ruanda im tansanischen Arusha. Mit Kabiligi empfing das Tribunal erstmals einen mutmaßlichen Drahtzieher dieses Völkermordes, bei dem zwischen April und Juni 1994 über 800.000 Menschen – zumeist Angehörige der Tutsi-Minderheit – in Ruanda getötet wurden.

Die Anklage gegen Kabiligi wiegt schwer: Er habe als Mitglied des Generalstabs während des Völkermordes vier Militärregionen unter seinem Kommando gehabt, darunter die Hauptstadt Kigali, und Eliteeinheiten wie Präsidialgarde und Fallschirmjäger geführt. Die Präsidialgarde spielte laut Augenzeugen zu Beginn des Völkermordes eine führende Rolle. „In seiner Funktion als Brigadegeneral hatte Gratien Kabiligi die Pflicht, die allgemeinen Regeln der Disziplin bei allen ihm untergebenen Militärs geltend zu machen“, präzisiert die Anklageschrift Kabiligis Verantwortung.

Dieser Prozeß ist besonders bedeutsam, weil Kabiligi nach Ende des Völkermordes, als das verantwortliche Regime aus Ruanda nach Zaire floh, eine wichtige Rolle behielt. 1996–97, als in Zaire Bürgerkrieg herrschte, soll Kabiligi Tausende seiner ehemaligen Soldaten aus Zaire nach Ruanda zurückgeführt haben, um einen neuen Krieg gegen die heutige Tutsi-dominierte Regierung Ruandas zu beginnen. Für viele ruandische Hutu-Exilanten ist der seit Juli 1997 inhaftierte Kabiligi jetzt eine legendäre Figur.

Daß Kabiligi nun vor Gericht kommt, hängt damit zusammen, daß das 1995 eingesetzte UN-Tribunal in Arusha ein schnelleres Tempo einlegt. Am 9. Februar wurden die Beratungen des Tribunals nach mehrmonatiger Pause wiederaufgenommen, und der Gerichtsvorsitzende Laity Kama, ein Richter aus Senegal, versprach, die Prozesse würden künftig „im Eilrhythmus“ weitergehen.

Bisher hat das Tribunal kein einziges Urteil gefällt. Obwohl 35 Menschen angeklagt sind, von denen 23 im UNO-Gefängnis von Arusha auf ihren Prozeß warten, laufen derzeit nur drei Verfahren. Im ältesten davon – gegen den ehemaligen Bürgermeister der Gemeinde Taba, Paul Akayesu – springen wichtige Zeugen der Anklage inzwischen aus Angst vor Repressalien wieder ab. Demnächst scheint internationale Aufmerksamkeit garantiert. Am Montag tritt der Kommandeur der 1994 in Ruanda stationierten UN-Blauhelme, der kanadische General Romeo Dallaire, im Akayesu-Prozeß für die Verteidigung in den Zeugenstand.

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