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Die VorschauErst Lucy, jetzt Leng Tan: Armer Schroeder!

■ Am Sonntag im Übersee-Museum: Piano Adventures mit Margaret Leng Tan am Spielzeugflügel und Erwachsenenpiano / Das 397. DACAPO-Konzert präsentiert vor allem Stücke des Avantgardisten John Cage

Wer gemeinsam mit zwei Hunden und zwölf Pianos in Brooklyn ein Appartement bewohnt, könnte auch auf den dritten Blick als bizarr gelten. Und wenn diese Person zudem Fanpost an Schroeder sendet, jenen legendären Miniaturflügelpianisten aus der Comic-Strip-Gang um Charly Brown und seine Freunde, – nun ja, zur Beschreibung eines derartigen Verhaltens sucht man gemeinhin im Handbuch der Psychiatrie nach den passenden Vokabeln.

Grausame Realisten. Denn natürlich existiert Schroeder wirklich! Wie sonst könnte dieser von der liebestollen Lucy so grausam gestrafte und allein in Beethovens Musik Trost findende Künstler der bizarren Margaret Leng Tan antworten und ihr ausrichten lassen, es freue ihn sehr, daß Leng Tan ihn für einen der größten Toypianoperformer aller Zeiten halte. Aber nun hat Schroeder unter den Dreidimensionalen ernsthafte Konkurrenz bekommen. Ausgerechnet von einer Frau. So ungerecht ist manchmal die Welt.

Seit 1993 bearbeitet die 44jährige Margaret Leng Tan in ihrer Brooklyner Wohnung neben ihren drei Steinways auch neun Kinderpianos. Letztere haben es der weltbekannten Avantgardepianistin angetan, seit sie Anfang der 90er John Cages „Suite for Toy Piano“von 1948 kennenlernte. Cage und seiner Musik verdankt sie einen Großteil ihrer Popularität. Leng Tan lernte den Komponisten 1981 kennen und wurde bis zu seinem Tod 1992 eine seiner profiliertesten Interpretinnen. Zudem überschritt die gebürtige Singapuresin unter Cages Einfluß immer häufiger die konventionellen Grenzen ihres Instruments und experimentierte mit neuen Ausdrucksformen. Deutlichster Beleg dafür ist ihr Album „Sonic Encounters: The New Piano“von 1989, wo sie vor allem das Innere des Flügels mit Gegenständen bearbeitete.

Und nun also Schroeders Toypiano der Firma Schoenhut: Ein billiges Spielzeuginstrument, zu erwerben für maximal 23 Dollar in jedem amerikanischen Kaufhaus, ursprünglich nur erfunden, um die Nerven unschuldiger Erwachsener aufs fürchterlichste zu strapazieren. Kleine Plastikhämmerchen, die mit den Tasten verbunden sind, klopfen auf dünne Metallstäbe und erzeugen dadurch den typisch hohlen Sound.

Margaret Leng Tan aber, und da unterscheidet sich die promovierte Absolventin der angesehenen New Yorker Juillard School of Music von den hoffnungslosen Nachwuchsvirtuosen im Kinderzimmer, vermag dem Toypiano entzückende Klänge zu entlocken. Selbst tausendmal gehörten Stücken wie dem Beatles-Klassiker „Eleanor Rigby“oder Beethovens „Mondscheinsonate“gewinnt Leng Tan mit ihren Transskriptionen für Toypiano – die auf der CD, die anläßlich ihres Konzerts im Übersee-Museum für die BRD veröffentlicht wird, zu finden sind – tatsächlich neue und interessante Aspekte ab.

Das 397. DACAP0-Konzert am Sonntag widmet sich aber anderen Komponisten. Im ersten Teil spielt Leng Tan Klavier- und Toypianostücke von Philip Glass, Jerome Kitzke, Julia Wolfe, Toby Twining sowie Erik Saties Gymnopédie No. 3. Teil II und III widmen sich vor allem Leng Tans Mentor John Cage. Zu hören sein werden „0'0“und in deutscher Erstaufführung „Four Walls“von 1944. Auch Cages berühmteste Komposition „4'33“wird ihre geballte Stille durch den Lichthof klingen lassen.

Hinzu kommen noch Elephanten-Stimmen, Gesang und ein Arsenal weiterer Toyinstrumente. Wahrscheinlich wird nicht nur Schroeder seine Freude haben. So er denn kommt. zott

Margaret Leng Tan spielt am Sonntag, den 22. Februar, 20 Uhr im Lichthof des Übersee-Museums. Für weitere Informationen zum Konzert oder Kartenreservierungen sollte man die DACAPO-Nummer 500 444 wählen

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