: Das Dach Brandenburgs
Im April wird Brandenburgs 7. Naturpark Hoher Fläming eröffnet. Auf einer Fläche, fast so groß wie Berlin, werden Landschaft und Arten gesondert geschützt■ Von Klaus Bruske
Am 26. April werden rings um die alte Burg Rabenstein (Kreis Potsdam-Mittelmark) etwa 10.000 Natur- und Öko-FreundInnen aus Brandenburg, Berlin und dem benachbarten Sachsen-Anhalt zum großen Eröffnungsfest eines neuen Großschutzgebietes erwartet. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe und sein Umweltminister Matthias Platzeck reden und feiern mit, Landrat Lothar Koch und andere „VIPs“ aus Land- und Kreis geben sich die Ehre, wenn Brandenburgs 7. Naturpark Hoher Fläming offiziell eingeweiht wird.
Der Rabenstein zählt gemeinsam mit der Veste Eisenhardt über Belzig sowie der Wiesenburg zu dem einzig echten Höhenburg- Trio in der sonst eher flachen Mark. Was alle Heimatfreunde unisono veranlaßt, den Hohen Fläming als „kleinstes Mittelgebirge Deutschlands“ zu lobpreisen. Eine glatte Übertreibung. Denn genau genommen ist das „Dach Brandenburgs“, der gerade Mal 201 Meter hohe Hagelberg bei Belzig, auch nur wie andere märkische Hügel (etwa die Berliner Müggelberge) die Ausdellung einer glazialen Endmoräne. Nur eben eine geologische Epoche früher als die Weichseleiszeit gewachsen, welche vor etwa 15.000 bis 20.000 Jahren das Havel- und Spreeland, den Teltow, Barnim oder die Uckermark prägte. Deshalb hat dieses „Mittelgebirge“ keine typisch märkische Seen aufzuweisen. Jene sind, wo einst vorhanden, längst verlandet.
Darüber hinaus: Der Hohe Fläming zählt mit seiner Haupt- und jetzigen Kreisstadt Belzig auch nicht zu den urbrandenburger Gebieten. Seine meist kargen Sand- und Kieshügel wurden zwar gleichfalls in der Kolonisationszeit, im 12. und 13. Jahrhundert, von den damaligen Markgrafen zu Brandenburg namens Albrecht, Otto oder Johann mit zumeist aus Flamen und Flandern stammenden Siedlern (daher der Name) aufgesiedelt. Doch später zählte dann alles zum Kurkreis Sachsen, wovon etwa noch heute eine „Sächsische Postmeilensäule“ vor der Veste Eisenhardt zeugt. Erst mit dem Wiener Kongreß, der anno 1815 Napoleons Erbmasse neu verteilte, kam der Hohe Fläming nach Preußen und ging damals in den Kreis Zauch-Belzig der Provinz Mark Brandenburg auf.
Doch genug der Mäkeleien. Denn natürlich läßt sich sehr viel mehr Schönes und Lobendes über das selbst für märkische Verhältnisse extrem dünn besiedelte (weniger als 40 Menschen pro Quadratkilometer) „Mittelgebirge“ links und rechts der Autobahn Berlin-Nürnberg sagen. Der Hohe Fläming ist heute ein Öko-Paradies, wovon das Maskottchen und Wappentier des neuen Nationalparks, der Mittelspecht, zeugen soll. Er ist ein sehr selten gewordener Bewohner der Traubeneichen- Buchenwälder, der – bevor die Kiefer vor etwa 200 bis 300 Jahren massenweise monokultiviert wurde – ursprünglichen Bewaldung unserer Region.
Eine weitere Spezialität des neuen Naturparks sind die sogenannten „Rummeln“, tief eingeschnittene Trockentäler. Sie bilden das Ökosystem für eine anderswo sehr selten gewordene, wärmeliebende Vegetation. Etwa die Karthäuser Nelke oder die Gemeine Grasnelke fühlen sich im Braut-, Garreyer-, Neuendorfer- oder Springer-Rummel wohl. Dagegen finden in den schattigen Buchenwäldern des Hohen Flämings Frühlingsblüher wie das Buschwindröschen, das dreilappige Leberblümchen oder der Waldmeister Lebensraum. In den Kiefernwäldern herrscht in der Krautschicht oft die Heidelbeere vor. Im Herbst zeigen sich dort Maronen, Steinpilze sowie die raren Pfifferlinge.
In den vielfach noch naturnahen Flämingbächen tummeln sich Bachforelle, Bauchneunauge und der Edelkrebs. Hier finden aber auch Eisvogel und der Biber Lebensraum und Nahrung. Als Besonderheit weist der im Flüßchen Plane siedelnde Bergmolch auf den „Mittelgebirgs“-Charakter des Parks hin. Weißstörche brüten als Kulturfolger in den Dörfern. Der Heide- und Trockenrasen, der hier recht häufig ist, bietet seltenen und anderswo gefährdeten Spinnen-, Heuschrecken- und Schmetterlingsarten sowie Vögeln wie dem Ziegenmelker Unterschlupf. Eine weitere Besonderheit sind die Belziger Landschaftswiesen am Fuße des „Mittelgebirges“, im Baruther Urstromtal. Sie beherbergen heuer die letzten größeren Populationen der Großtrappe in Deutschland. Diese ist eine der schwersten, noch flugfähigen Vogelarten der Erde und sonst aufgrund (über)intensivierter Landwirtschaft vom Aussterben bedroht.
In über fünf Naturschutzgebieten und einem Landschaftsschutzgebiet werden auf fast 91 Prozent der Naturparkfläche, 754,6 von insgesamt 827 Quadratkilometern (entspricht knapp der Stadtfläche von Berlin), die Interessen von Landschafts- und Artenschutz in besonderer Weise gesichert. Dazu zählen neben dem LSG Belziger Landschaftswiesen, die NSG Planetal, Rabenstein, Spring, Flämingbuchen und Klein Marzehns.
Sitz der Naturparkverwaltung soll das Dorf Raben am Fuße des Rabensteins sein. In der dortigen Alten Brennerei gibt der Naturparkverein Fläming e.V. gern Auskunft über sanften Tourismus und ökologische Attraktionen.
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