Next Stop Nagano: Stärke in der Breite
■ Nach dem Zählen der deutschen Medaillen platzt NOK-Präsident Tröger fast vor Stolz
Klassenziel verfehlt, könnte man sagen. Zumindest, wenn man die Prognose von Sports Illustrated zugrunde legt. 32 Medaillen hätte das US-Magazin dem deutschen Team in Nagano prophezeit, berichtete NOK- Präsident Walther Tröger bei seiner Abschlußpressekonferenz, 29 sind es am Ende der Spiele geworden. Erheblich mehr, als die deutschen Funktionäre vorher öffentlich zu hoffen gewagt hatten, und darum war Tröger keineswegs traurig über den kleinen Fehlbetrag gegenüber der S. I.-Vorhersage, sondern platzte schier vor Stolz.
Ebenso zufrieden war der neben ihm sitzende Rolf Ebeling vom für die Sportförderung zuständigen Bundesausschuß Leistung, den nicht nur die Gesamtzahl der Medaillen und die der goldenen (12) fröhlich stimmte, sondern auch die Tatsache, daß von den 129 in Nagano eingesetzten Athleten 80 Prozent unter die ersten Zehn kamen.
„Breite oder Spezialisierung“ heißt seit längerem eine Kontroverse im deutschen Sport, durch Nagano hat die erste Variante Auftrieb bekommen. Bloß Norwegen hätte eine ähnliche „Stärke in der Breite“, sagte Tröger, während auch Rußland und die USA nur in einigen Sportarten Spitze seien.
Extrembeispiel für Spezialisierung sind die Niederlande, die elf Medaillen holten, alle im Eisschnellaufen. „In den olympischen Sportarten darf es keine Abstriche geben, weder im Sommer noch im Winter“, fordert Tröger, doch das mag Herr Ebeling ganz so nicht stehen lassen. Das Problem beim Wintersport sei, daß viele Verbände „zum Schnee müssen“. Dies ist sehr kostenaufwendig, ebenso wie die ausgefeilte Technologie, etwa bei Rodeln oder Bobfahren. Im großen und ganzen habe sich die praktizierte Förderung aber als „äußerst sinnvoll“ erwiesen, befand Rolf Ebeling. Man werde eine entsprechende Empfehlung an das für die Bewilligung der Mittel zuständige Innenministerium geben.
Für die Klage der fern von Nagano untergebrachten Athleten über mangelnde olympische Atmosphäre etwa, hatte Tröger wenig Verständnis: „Wenn wir davon abgehen, daß Medaillen aus dem Olympischen Dorf gewonnen werden, weil die Sportler das wünschen, dann müssen sie damit leben, daß sie sich außerhalb des Zentrums der Spiele befinden.“ Über die Kritik von Katja Seizinger, die mehr oder weniger ein gemütliches Olympisches Dorf im Zielraum der Abfahrtspiste gefordert hatte, will Tröger mit der Sportlerin auf jeden Fall noch „diskutieren“.
Etwas enttäuscht haben den NOK-Präsidenten die Curling- Teams, am positivsten überrascht die Langläuferinnen, die in der Staffel nahe an der Bronzemedaille waren. Eine Lanze brach Tröger für Johann Mühlegg, der von seinem Umfeld „ein bißchen unter Strom gesetzt“ werde, sich aber integriert habe, so gut es eben ging. Außerdem hat er mit seinem gestrigen 7. Platz über 50 km seine Unverzichtbarkeit unterstrichen. „Die Langläufer“, findet Tröger, „sind ja alle ein bißchen schwierig.“
Die Eishockeycracks wiederum wurden von Aktivensprecherin Gabi Kohlisch in Schutz genommen. Okay, es habe im Deutschen Haus „ein hartes Gespräch mit dem Ausschankwirt“ gegeben, „aber es sind nun mal Eishockeyspieler. Die meinen nicht alles so, wie sie es sagen.“ Auf jeden Fall sei keiner „auf allen Vieren“ ins Olympische Dorf gekrochen.
Besonders schlägt Trögers Herz für die Snowboarder, um die sich der Weltskiverband FIS unbedingt besser kümmern müsse. „Leute, die vernünftig sind, die anständig sind und die integrabel waren“, hat der NOK-Präsident kennengelernt, wenn man mal „von dem Drogenfall und dem etwas wild gewordenen Österreicher“ absehe. „Das soll es in allen Bereichen geben“, sprach da Gouvernante Kohlisch, „daß sich manche danebenbenehmen.“ Matti
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