■ Türkei: Das Militär bestimmt, welche Parteien existieren dürfen
: Schwächung und Spaltung als Ziel

Fast ein Jahrzehnt war Aydin Menderes Ministerpräsident der Türkei. Am 27. Mai 1960 putschte die Armee, Menderes endete am Galgen. Dieser Putsch hat eine verhängnisvolle Tradition begründet. Immer dann, wenn Politiker der allmächtigen Armee nicht gefallen, werden sie aus dem Amt gejagt. 1971 stürzte das Militär die parlamentarisch gewählte Regierung und setzte eine ihr willige, neue Regierung ein. Beim Putsch 1980 hat das Militär gleich alle Parteien verboten und das Parlament aufgelöst. Die letzte militärische Intervention war die Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates im Februar letzten Jahres. Der islamistische Ministerpräsident Necmettin Erbakan wurde abserviert. Es folgte das Verbot seiner Wohlfahrtspartei durch das Verfassungsgericht. Parteien, die sich kritisch mit der Kurdenpolitik des Staates auseinandersetzen, werden schon seit Jahren verboten, ihre Mitglieder verfolgt. Zuletzt traf es den Parteivorstand der kurdischen Arbeitspartei des Volkes. Seit fast zwei Wochen sitzt der Vorstand der legalen Partei nun im Gefängnis. Abwegige Anklagen werden formuliert.

Nicht Wahlen bestimmen in der Türkei über die Gangart der Politik, sondern Uniformierte, die eigentlich die Landesgrenzen bei einem Angriff von außen schützen sollten. Doch die Herren wachen vor allem über die Grenzen der Politik. Welche Partei gehört verboten? Welcher Politiker muß von Wahlen ausgeschlossen werden? Welche Zeitung gehört beschlagnahmt? Welche Verein ist kriminell? Die Kontrolle der Politik reicht weit in die Privatsphäre. Welche Kleidung darf ein türkischer Staatsangehöriger tragen, welche nicht? Nicht als Bürger wird der Türke behandelt, sondern als Untertan.

Dieses Regime der selbsternannten Republikwächter war indes in seinen Bemühungen nicht wirklich erfolgreich, Parteien, die das Ergebnis sozialer und gesellschaftlicher Bewegung sind, auf ewig zu verbannen. Denn politische Parteien sind organische Gebilde, die nicht so einfach mit einem chirurgischen Eingriff aus der Gesellschaft herausoperiert werden können. Nach der Hinrichtung von Menderes erzielte die Nachfolgepartei bei den Wahlen die meisten Stimmen. Der 1980 von den Militärs gestürzte Süleyman Demirel ist heute Staatspräsident. Doch die Operationen zeigen Folgen. Politische Bewegungen werden nach Parteienverboten zwar nicht ausgemerzt, doch geschwächt und gespalten. Eben darauf wird jetzt im Fall der islamistischen Wohlfahrtspartei spekuliert. Ömer Erzeren