Ein Monstermonument für New Labours Jahrtausend

■ Blair präzisiert, wie der Greenwich-Dom aussehen soll: „Wie Disneyland, aber anders“

Dublin (taz) – Großbritanniens größtes Geheimnis ist gestern gelüftet worden – jedenfalls zum Teil. Premierminister Tony Blair enthüllte erste Details der Projekte, mit denen der im Londoner Vorort Greenwich geplante Dom zur Feier der Jahrtausendwende gefüllt werden soll.

Das gigantische Bauwerk, in das der Eiffelturm der Länge nach hineinpassen würde, soll in neun Zonen unterteilt werden. Der wichtigste Teil ist eine „Body Zone“: Ein fast 40 Meter hoher androgyner Körper, in dem man herumwandern kann und dabei eine Lehrstunde in Sexualkunde erhält. In der „Lernkurve“, einem weiteren Modul, geht es um Bildung, Labours Lieblingsprojekt. Damit auch das Umweltbewußtsein gestärkt wird, können die Besucher an einem künstlichen Meeresstrand die Folgen ihres Umweltverhaltens studieren. Die Unterhaltung soll ebenfalls nicht zu kurz kommen: In der „Dreamscape“- Zone „treiben die Besucher auf einem Traumfluß durch verschiedene Welten, in denen für Überraschung und Spaß gesorgt ist“.

Für einen Streit hat bereits „Spirit Level“ gesorgt. Die christlichen Kirchen wollen in dieser Zone den christlichen Aspekt der Jahrtausendwende feiern. Schließlich gehe die Zeitrechnung ja auf Christi Geburt zurück, argumentieren sie. Muslime und Hindus pochen jedoch darauf, daß die multikulturelle Entwicklung der britischen Gesellschaft genügend berücksichtigt wird. Blair versprach gestern, daß beides geschehen soll.

Der Bau des Doms nahe Greenwich am Rande der Londoner Docklands war Margaret Thatchers Idee und wurde von der letzten Tory-Regierung beschlossen. Blair, in der Opposition noch skeptisch, hat das Projekt längst für sich reklamiert, und nun ist es zum Symbol für New Labour geworden. „Das ist Großbritanniens Chance, die Welt mit einer Feier zu grüßen“, sagte er, „die so schön und anregend ist, daß sie den neuen Geist des Selbstvertrauens und des Abenteuers verkörpert, der in Großbritannien Einzug gehalten hat.“

Umgerechnet über zwei Milliarden Mark wird der Spaß kosten. Das Geld soll aus Lottomitteln und von Industriesponsoren aufgebracht werden. Die ersten vier Geldgeber konnte Blair gestern präsentieren, darunter British Telecom und Sky Television, die jeweils mindestens 35 Millionen Mark beisteuern. Die Eintrittskarten für rund 50 Mark werden von der Lottogesellschaft vertrieben. Man rechnet mit zwölf Millionen Besuchern bis zum Ende der Ausstellung am 31. Dezember 2000.

Der „Millennium Dome“ soll „so aufregend wie Disney World, aber anders“ werden, sagte Blair gestern. Er beschwor die Nation, Kritiker zu ignorieren und dem Bau den Segen zu geben. Er versprach, die Eröffnungsfeier Silvester 1999 werde der „fantastischste Tag in der ganzen Welt“. Und Peter Mandelson, Labours geschickter Medienmanipulator, der von Blair zum „Dom-Minister“ ernannt wurde, sagte, der Bau sei „ein riesiger Spiegel für die Nation, der den Stolz auf britische Kreativität, Mut, Erfindungsreichtum und Sinn für Gerechtigkeit und Fair Play“ reflektiere.

Die Kritiker lassen sich dadurch nicht überzeugen. Neben den immensen Kosten kritisieren sie auch den Standort: London brauche keine neue Attraktion, die Stadt habe bereits genug Touristen. Der Direktor des Mammutbaus, Stephen Bayley, ist vorigen Monat zurückgetreten. Er sagte wenig taktvoll, das „ganze Projekt ist möglicherweise Scheiße“. Schwerer trifft Blair jedoch der Vorwurf des ehemaligen Vorsitzenden vom Rat der Künste, Lord Palumbo: „Ich fürchte, der Dom könnte ziemlich mittelmäßig werden und deshalb schnell in Vergessenheit geraten“, sagte er. Blair hat aber den Dom zur Chefsache erklärt. Gestern warnte er: Falls das Projekt ins Wasser fiele, würde die ganze Welt auf Greenwich blicken und eine Brachfläche mit einem Hinweisschild sehen: „Britannien 2000 – nichts passiert.“