: „Wir unterstützen ihn wie immer“
Überraschenderweise stehen Borussia Dortmunds Fans hinter dem Profi Stefan Klos – obwohl der klagt, um statt seines Klubs an einem ablösefreien Wechsel zu verdienen ■ Von Jürgen Rollmann
Marc Homrich vom Fanklub „Borussen-Bulls“ wundert sich: „An Stefans Stelle würde ich nicht auf die Insel gehen. Der viele Regen, die andere Mentalität und der Gascoigne ist ja auch nicht der Ruhigste.“ Trotzdem steht für Homrich (27), der für Dortmund die Daumen drückt „solange ich denken kann“, fest: „Wenn der Stefan heute ins Stadion einläuft, dann empfangen wir ihn freundlich wie immer und unterstützen ihn.“
Der Stefan heißt Klos mit Nachnamen, ist seit 1988 bei Borussia Dortmund, hat mit dem Klub zweimal den Meistertitel und zuletzt die Champions League und den Weltpokal gewonnen. Anfang der Woche hat Klos aber gegen seinen Arbeitgeber Klage vor dem Arbeitsgericht Dortmund eingereicht. Der Torhüter möchte nach dieser Saison weg aus Dortmund (zu den Glasgow Rangers wird spekuliert, dorthin, wo es so oft regnet).
Klos (26) ist der Meinung, daß sein Vertrag am 30. Juni endet – und er gehen kann, ablösefrei. Die Borussen-Verantwortlichen sind der Meinung, daß der Vertrag durch den umstrittenen Paragraphen 11 (siehe Kasten) bis 30. Juni 1999 läuft – und Klos nicht gehen kann, schon gar nicht ablösefrei.
Die wohlwollende Betrachtung der Anhänger in einer juristischen Auseinandersetzung zwischen Spieler und Verein ist nicht selbstverständlich. Als im vergangenen Jahr bekannt wurde, daß Profi Karlheinz Pflipsen die Borussia – jedoch die aus Mönchengladbach – auf Zahlung von Urlaubsentgelt verklagt hatte, machte die Fußball- Öffentlichkeit ihrem Unmut Luft.
Die Fans wedelten im Bökelbergstadion mit falschen Hundertmarkscheinen, Manager Rüßmann stellte öffentlich den Charakter von Pflipsen an den Pranger, und viele Medienvertreter fanden schnell eine Titulierung für den Mittelfeldspieler: „Raffzahn“.
Pflipsen erinnert sich heute mit Schaudern zurück: „Ich war nachher schon überrascht, was da abgelaufen ist, die Anfeindungen und so. Das habe ich vor meiner Klage nicht bedacht.“ Befürchtet Paragraphenjongleur Klos vor der heutigen Bundesligapartie gegen Werder Bremen nicht ähnliches? „Das wäre schon eine blöde Situation, für mich und auch für die Borussia“, sagt Klos, „aber da muß ich durch.“
Muß er wohl nicht. Peter Karasch (29), Mitglied des Herdecker Fanklubs „Die Abhängigen“, sagt im schönsten Ruhrpott-Slang: „Das, was bei den Möchengladbachern abgelaufen ist, kommt für uns nicht in Frage. In Dortmund sind wir ein bißchen loyaler.“ Und Uli Bornhöft (36) vom Fanklub „Borsigplatz '88“ ergänzt: „Es hat bislang keine Pfiffe gegen Stefan gegeben. Obwohl er zuletzt schon einige Unsicherheiten dabei hatte. Ich bin überzeugt, daß es keine Proteste gegen ihn gibt.“
Heftig protestiert wird von Klos-Anwalt Gerhard Röder aus Stuttgart – gegen den Paragraphen 11: „Paragraph 11 ist mit deutschem Arbeitsrecht nicht in Einklang zu bringen und hat mit der freien Arbeitsplatzwahl nichts mehr zu tun. Dieser Paragraph ist weitaus schlimmer für den betroffenen Spieler als das alte Transfersystem.“ 1995 eliminierte ein gewisser Jean-Marc Bosman dasselbige auf juristischem Wege, aktivierte § 11 in den deutschen Spielerverträgen und brockte damit indirekt Klos seinen Ärger ein. Wird der jetzt der „deutsche Bosman“?
Der Frankfurter Rechtsanwalt Horst Kletke, seit über zehn Jahren auch für die Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV) tätig, sieht den § 11 zwar auch kritisch, warnt Klos aber: „Wenn Stefan tatsächlich gerichtlich gegen § 11 vorgehen will, kann er auf dem Weg durch die Instanzen Arbeitsgericht, Landesarbeitsgericht und Bundesarbeitsgericht leicht eineinhalb Jahre unterwegs sein. Ohne eine gerichtliche Entscheidung bekommt er auch keine Spielerlaubnis von DFB oder der Fifa. Da kann eine Karriere knicken.“
Stefan Klos ist sich dieser Gefahr bewußt, beweist aber, warum er von Freunden gerne als „westfälischer Dickschädel“ bezeichnet wird: „Ich rechne mit allem. Ich gehe aber davon aus, daß ich im Sommer wechseln werde.“ Und falls doch nicht, „dann kann ich eben eine Zeitlang keinen Fußball spielen. Mein neuer Verein wartet auf mich.“
Borussen-Manager Michael Meier sagt, er wolle die Angelegenheit „sportlich austragen“, und läßt keine Gelegenheit aus, das „trotz allem gute Verhältnis zu Stefan“ zu betonen. Was den wiederum nicht sonderlich interessiert. Klos: „In der Öffentlichkeit wird immer behauptet, daß die Borussia für mich das Geld haben will, das sie für einen neuen Torwart brauchen. Wenn sie also einen kriegen, der ablösefrei ist, kommen wir vielleicht noch friedlich ins Geschäft. Aber die haben sich auch schon umgeguckt und gesehen, daß das nicht so einfach ist.“
Es geht also doch nur ums Geld? Wir interpretieren: Wenn Dortmund Klos ohne Ablöse gehen läßt, verdient wohl der Torwart mehr (sattes Handgeld in die Handschuhe), kriegt die Borussia Ablöse, verdient wohl der Torwart weniger (weiter nur Spucke in die Handschuhe). Peter Karasch von „Den Abhängigen“ sieht es wie viele Borussen-Fans: „Die sollen doch alle verdienen, was sie wollen, wenn sie vernünftigen Fußball spielen. Am liebsten wäre es mir, wenn der Stefan dableiben würde.“ Es ist wirklich schwer vorstellbar, daß dieser „liebe“ Stefan zukünftig mit dem „bösen“ Paul Gascoigne spielen soll...
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