: Prima Propagandatrick
■ betr.: „Das Ende der Diplomatie“, taz vom 16.2. 98
Chapeau Frau Gaus für Ihren Beitrag, vor allem für Ihre treffende Kurzanalyse, wie schnell einem „Angriffskrieg ein hoher ethischer Wert beigemessen“ wird. Da haben unsere Bellizisten unter besonderer Mithilfe ehemaliger Linker, übrigens auch in der taz, geradezu Orwellsche „Neusprech“-Erfolge erzielt. Trotzdem sei wegen der Gefahr von Legendenbildung darauf hingewiesen, daß Anno dazumal zwar tatsächlich „ein völkerrechtswidrig besetztes Land im Auftrag der UNO...“ befreit wurde, nur war das, bitte schön, zwar ein prima Propagandatrick, aber keineswegs der alleinige Zweck der Übung. Der berühmte amerikanische Bürgerkrieg tobte nämlich auch nicht in erster Linie darum, die schwarzen Sklaven zu befreien, sondern um die Vorherrschaft des industrialisierten Nordens über den agrarischen Süden zu sichern, aber mit „Sklavenbefreiung“ ließen sich eine Menge Freiwillige mobilisieren. Und so wurde der Golfkrieg eben auch und vor allem wegen des westlichen Zugriffs auf die Ölvorkommen der Region geführt. Wenn es bloß ums liebe Völkerrecht gegangen wäre... du lieber Gott, da hätten die wackeren Weltpolizisten aber zu tun, zum Beispiel in Israel, das für seine strikte Befolgung sämtlicher UNO-Resolutionen geradezu berühmt ist.
Es ist im übrigen gar nicht mal „bloß“ eine moralische Frage, ob man Krieg für ein probates „anderes Mittel“ zur Fortsetzung von Politik hält, sondern eine schlichte Frage von Effizienz: Eine zivile, humane und demokratische Gesellschaft läßt sich nicht herbeibomben, nicht von „Befreiungskämpfern“ und nicht von Weltpolizisten. Das können vielleicht nicht alle „Befreiungskämpfer“ wissen, aber die Weltpolizisten wissen es bestimmt. Ein Blick auf die Ergebnisse ihrer letzten „Interventionen“ in aller Welt genügt.
Was also treibt die USA dazu, diesmal sogar fast ohne westliche Verbündete und trotz garantiertem Mißerfolg zur großen Keule zu greifen? Das hat bestimmt mit der Identitätskrise einer Supermacht, die keine ernsthaften Feinde mehr hat, zu tun. Und auch mit der Lobbyistenphantasie einer Rüstungsindustrie, die wegen langfristiger Auftragsbeschaffung gerne irgendeinen Popanz zum Superbösewicht aufbläst. By the way, ist Saddam eigentlich immer noch Hitler, Herr Enzensberger?
Wenn dieser Krieg tatsächlich stattfinden sollte, dann wird er in späteren Geschichtsbüchern vermutlich keine ehrenhafte Erwähnung finden, [als ob all die anderen „ehrenhaft“ erwähnten Kriege in den Geschichtsbüchern dies gewesen wären!? d. sin], denn er wird unter anderem auch deshalb geführt werden, weil ein Präsident, der nicht mal seinen eigenen Hosenschlitz unter Kontrolle hat, auf diese Weise Handlungsfähigkeit beweisen will. Stefan Buchenau, Clenze
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