: Für Borussia geht's gen Cottbus
Nach dem 0:0 gegen den VfB Stuttgart darf sich Norbert Meier auf einen Job als Amateurtrainer einrichten – und der Tabellenletzte Mönchengladbach auf die zweite Liga ■ Von Holger Jenrich
Mönchengladbach (taz) – Eigentlich hätten sie allen Grund gehabt, die eh nur wenig ansehnliche Innenstadt in Schutt und Asche zu legen. Ein torloses Unentschieden daheim gegen den VfB Stuttgart, Tabellenrang 18, kaum noch Hoffnung auf ein gutes Saisonende – anderswo haben Fußballfans schon wegen weniger dramatischer Ereignisse Polizei, Grenzschutz und freiwillige Feuerwehr heraufbeschworen. Im provinziellen Mönchengladbach allerdings üben sich die desillusionierten Kuttenträger mehr in Zynismus denn in Vandalismus. „Und wir haben es geschafft – wir sind letzter“ hallte es Samstag gegen halb sechs in den Straßen Eickens wider.
Derweil machte der eine oder andere im Presseraum des Stadions am Bökelberg ungeachtet der desolaten Situation auf Optimismus. Jung-Borusse Marcel Ketelaer, auf der linken Seite noch einer der besten in einem ansonsten peinlich-pomadigen Team, sieht sich und seine Kumpels auf dem richtigen Weg: „Ich rechne nun mit einem Sieg in Karlsruhe.“ Kollege Patrik Anderson hob hervor, daß man erstmals in dieser Saison „zu Null gespielt“ habe. Und Noch- Chef- und vermutlich Bald-schon- wieder-Amateur-Trainer Norbert Meier platitüdete auf die gewohnte Art, man müsse „mit dem 0:0 zufrieden“ sein.
Dabei hatte man höheren Orts alles daran gesetzt, den mageren fünf Saisonsiegen endlich einen sechsten folgen zu lassen. Das Fanprojekt hatte unter dem Slogan „Boruss-JA – Wir halten zusammen“ gut Wetter und die Nordkurve zur langeweilefreien Zone machen wollen: „In diesem Block wird Stimmung gemacht. Wer nicht mitmacht, soll nach Hause gehen.“ Der Esprit des neu gestylten Vereinsmagazins Fohlen-Echo sollte endlich auf Effe und Rest abfärben. Und selbst Frau Kamps war, als letzte Motivationsspritze für ihren Göttergatten und dessen verunsicherte Nebenleute, pünktlich vor Spielbeginn mit einem Mädchen niedergekommen. Genutzt hat's nix. Ohne Sturm kann man beim besten Willen keine Tore schießen.
Ebendort hatte Norbert Meier diesmal niemand anderen als Andrzej Juskowiak aufgeboten – ausgerechnet denjenigen seiner Offensivkräfte, dem Borussen- Kenner gern „You'll never score a goal“ zur „You'll never walk alone“-Melodie nachsingen. Freiwillig indes hat der dauernswerte Chefcoach nicht auf die polnische Geheimwaffe gesetzt. Sein restliches Angriffspersonal – Pettersson, Pedersen und Villa – lag samt und sonders krank beziehungsweise verletzt darnieder.
Da auch der nicht minder kriselnde VfB mit Bobic, Verlaat, Hagner, Raducioiu, Legat und Wohlfahrt auf gleich ein halbes Dutzend bewährter Kräfte verzichten mußte, ergab sich das folgende Hauruck-Spiel wie von selbst. Fehlpässe en masse, technische Fehler, rustikale Rempler – wären nicht der fleißig kartenspielende Schiri Keßler (Gelber Endstand: 5:4 für die Gastgeber) und der bravouröse Balakov gewesen, die 23.000 auf den Rängen hätten sich fürchterlich gelangweilt. So zitterten sie wenigstens vor Kälte und um ihre Borussia, der selbst die Schweigsamkeit der Anzeigentafel keine Flügel zu verleihen vermochte. Nix war dort zu lesen von den Punkt- und Torerfolgen der Mitbewerber um die Abstiegsplätze. Kunde vom Kölner Husarenstreich etwa oder vom Zebrafraß der Löwen hätte bei den eh schon hypernervösen Niederrheinern wohl noch zusätzlichen Herzkasper ausgelöst. Und die eher auf Beendigung der Negativserie fixierten Schwaben womöglich zu forscherem Vorwärtsspiel ermutigt. Aber auch so war Noch-Chef- und Bald-wohl-immer-noch-Erfolgstrainer Löw nicht unzufrieden: „Wir haben in der Defensive gut gestanden, die Organisation hat wieder gestimmt.“ Weil das so ist und sich in Bälde der eine oder andere VfBler vom Krankenbett wird erheben können, plant man in Stuttgart insgeheim schon für die nächste Saison (unter Vertrag: Zeyer, unter Beobachtung: Pflipsen) und das internationale Geschäft.
In Gladbach hingegen dürfte man sich langsam auf die erste Zweitliga-Saison nach 32 Jahren Oberhaus einrichten. Statt Bayern kommt dann Unterhaching, statt nach Kaiserslautern geht's nach Cottbus. Teile des Personals für derartige Abenteuer konnten sich die Zuschauer am Samstag schon einmal aus der Nähe ansehen. Auf der Borussen-Bank saßen unter anderem die Herren Voronin, Anagnostou und Lintjens. Allesamt Oberliga-Spieler von heute – und vielleicht Zweitliga-Kicker von morgen...
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