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Garantie für Konsumgüter bald zwei Jahre

■ Europaparlament macht bei den Fristen Dampf. Einzelhandels- und Industrieverbände sehen hingegen „bürokratischen Aufwand“ und wehren sich gegen angepeilte Haftungsrisiken

Berlin (taz) – Wer kennt das nicht? Der neue Toaster oder der jüngst erstandene Walkman gibt plötzlich den Geist auf. Ein Blick auf die Kaufquittung verdirbt die Laune endgültig: Der Kauf ist wieder mal länger als sechs Monate her. Garantie erloschen. Damit könnte bald Schluß sein, denn ein neuer Richtlinien-Entwurf der EU will die Garantiepflicht für Konsumgüter auf zwei Jahre verlängern. Dies sieht ein Entwurf vor, über den das Europäische Parlament am kommenden Montag beraten will.

Der Vorschlag will in den ersten sechs Monaten der Garantiefrist die Beweislast für die Ursache des Schadens sogar umdrehen: Dann müßte im Zweifel der Verkäufer oder Hersteller selbst beweisen, daß der Kunde den Defekt der Ware verursacht hat, um eine Garantieleistung zu verweigern.

Die EU-Kommission will mit der Richtlinie das Verbraucher- Recht harmonisieren und das Vertrauen der Kunden beim Kauf in den EU-Nachbarstaaten erhöhen. In einer Eurobarometer-Umfrage gab gut die Hälfte aller Kunden Schwierigkeiten beim Umtausch als wichtigsten Grund an, auf die Vorzüge des EU-Binnenmarktes zu verzichten.

Bislang sind nur in jedem zweiten EU-Staat gesetzliche Garantien vorgesehen. Trotzdem ist Deutschland kein Vorbild: Andere Länder sehen ein bis sechs Jahre vor. Solche Regelungen wären von der Harmonisierung nicht betroffen – der Richtlinien-Entwurf sieht Abweichungen nach oben vor.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist gegen den Entwurf. Er spricht in einem Brief an die Europaabgeordneten von „neuen Haftungsrisiken“ und mehr „bürokratischem Aufwand“, der die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie gegenüber den USA und Asien geschmälert sieht. Dem widerspricht die EU- Kommission. Qualitätssicherung bei Unternehmen führe zur Kostenersparnis, längere Haltbarkeit erhöhe die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte. „Der Nutzen überwiegt die Kosten“, schreibt die Kommission. Auch der Hauptverband des deutschen Einzelhandels sowie drei weitere Einzelhandels- und Versand-Verbände sind gegen längere Garantien. Sie stören sich vor allem an der Beweislastumkehr, die Mißbrauch fördere. Die bündnisgrüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer begrüßte dagegen die Richtlinie, denn kurzlebige Güter erhöhten den Abfallberg. „Jede Tonne Ware verursacht bei der Produktion fünf Tonnen Müll“, sagt sie, „plus zwanzig Tonnen Abraum bei der Rohstoffgewinnung.“ Deshalb sei sogar eine Garantie von fünf Jahren empfehlenswert. Damit ist die Abgeordnete nicht allein. Auch Finnland unterstützt im Ministerrat die längere Frist.

In einem sind sich aber die Grünen und der Einzelhandel einig: Sie wollen nicht, daß der Kunde in jedem Fall auf Austausch des Gerätes bestehen kann. Das sieht nämlich die EU-Richtlinie ebenfalls vor. Ein Vorrang für Reparaturen wäre umweltfreundlicher, so beide Kritiker unisono. Matthias Urbach

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