: Zwischen Kindern und Dämonen
■ Gespenster, Familie und Songwriting: Kristin Hersh betreibt ihre Kunst mit Pragmatismus. Morgen spielt sie in der Musikhalle
Pragmatismus und Kunst schließen einander bei Kristin Hersh nicht aus. Ihr Leben verläuft in geordneten Bahnen, aber ihre Songs sind deshalb nicht langweilig. Plattenaufnehmen und Kinderkriegen scheinen bei der Amerikanerin zyklische Angelegenheiten zu sein. Alle fünf Jahre steht bei ihr Nachwuchs ins Haus, alle zwei ein neues Album in den Läden.
Daß sie da von ihren Songs wie von ihren Kindern spricht (oder umgekehrt), verwundert nicht – daß ihre drei Söhne Dylan (11), Ryder (6) und Wyatt (1) die Namen berühmter Musiker tragen, natürlich ebensowenig. Und vielleicht ist es jener Pragmatismus, den Erziehende manchmal aufbringen müssen, der Kristin Hersh seit den frühen Achtzigern so konsequent ihren Weg gehen läßt – nicht alle Platten der Songwriterin hauen einen um, aber selbst die schlechten haben gute Momente.
Strange Angels, ihr aktuelles Album, ist ein schönes Beispiel dafür, daß Kunst sehr wohl seriell funktionieren kann. Die Akkorde auf der Akustischen und das wohlvertraute Vibrato bringen die Kompositionen in sanften Kreisbewegungen über die Runden, während Kristin Hersh ein weiteres Mal in ihr kleines Paralleluniversum abtaucht, dessen Personal bestens bekannt ist. Alles ist voller Engel hier, überall Gespenster, Dämonen auf Schritt und Tritt.
Schon der größte Hit von Kristin Hersh handelte von den surrealen Schatten der Vergangenheit: Die Single Your Ghost spielte sie vor vier Jahren im Duett mit R.E.M.s Michael Stipe ein. Der Erfolg war enorm, im Alleingang verkaufte die Künstlerin soviel wie nie zuvor. Trotzdem löste sie ihre Band Throwing Muses, mit denen sie fast eineinhalb Dekaden unterwegs war, noch nicht auf. Erst voriges Jahr wurde ihr klar, daß sie die Formation nicht länger halten konnte und startete offiziell die Solo-Karriere. Pragmatismus und Welterfahrung können der Kunst eben durchaus zuträglich sein – selbst wenn die so weltabgewandt klingt wie die der Hersh.
Dem wilden Leben hat sie den Rücken gekehrt, mit ihrem Mann und den drei Söhnen lebt sie zurückgezogen in einem Häuschen in der kalifornischen Wüste. Im Alter von 15 Jahren hatte die Quäkertochter vor allem deshalb angefangen, Musik zu machen, weil sie Angst hatte, nach dem Einschlafen nicht mehr aufwachen zu können: Die damals frischgegründeten Throwing Muses spielten extrem lauten Rock'n'Roll, schlummern war da unmöglich. Inzwischen soll Kristin Hersh ganz ruhig schlafen können – die Dämonen der Vergangenheit schauen aber trotzdem noch manchmal bei ihr vorbei.
Christian Buß
Sonntag, 20 Uhr, Musikhalle (kleiner Saal)
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