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Lovely Dieter, bester Dampfdruckreiniger

■ Beim 1:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern wurde Werder um den Sieg betrogen. Aber mit der Rückkehr von Eilts hat die Wende zum Guten begonnen Von Karen Buse

Vergessen die schreiende Ungerechtigkeit. Vergessen die nach Gerechtigkeit schreienden, ganz altmodischen „Schiri raus!“-Rufe – das wahrhaft nostalgische „Schiedsrichter, Telefon!“hat im Zeitalter von Handy und Scall ja leider kaum Drohpotential. Vergessen auf jeden Fall die „Schwarze Sau!“-Rufe – denn Weber paßt doch allenfalls zu Eber.

Vergessen, daß ein Schiedsrichter mit einem verhängten Elfmeter, zwei verweigerten Strafstößen und einer peinlichen gelb-roten Konzessionskarte für ein Nicht-Foul seinen guten Ruf und ein schönes Fußballspiel ruinierte – ein 1:1 gegen den völlig verdient Deutscher Meister werdenden 1. FC Kaiserslautern ist doch durchaus achtbar.

Wir wollen auch nicht länger darüber grübeln, weshalb der SV Werder im Gegensatz zum 1. FCK keine erkennbare Spielanlage hat. Oder warum Bremer Kicker nicht wissen, wohin sie sich sinnvollerweise bewegen müssen, wenn sie den Ball abgespielt haben.

Oder wieso immer wieder über 40 bis 50 Meter Bälle hoch nach vorn gedroschen werden, mit denen auch noch gefährlichere Kopfballungeheuer als der arme Harvard Flo beim besten Willen nichts Vernünftiges anfangen können. Schwamm drüber! Kein kleinliches Nachkarten. Die wirkliche Nachricht, nein, die Botschaft aus dem Weserstadion stimmt euphorisch: Dieter is back!

Es zeichnete sich schon seit einigen Wochen ab, doch unter des Bundestrainers Augen hat er letzte Zweifel beseitigt: An uns Dieter kommt keiner vorbei! Weder Andy Möller, Ciriaco Sforza noch Berti Vogts. Der während der EM in England für Dieter Eilts geprägte Begriff vom „Staubsauger vor der Abwehr“wird seiner Interpretation des defensiven Mittelfeldspielers nicht mehr gerecht. Eher verkörpert er – um den vertrauten Bereich des Hausputzes nicht zu verlassen – den Typ des modernen Dampfdruckreinigers (Dampf statt Krampf, über 100 Einsatzbereiche, die saubere Alternative zur herkömmlichen Plackerei, hundert Prozent Hygiene, null Prozent Chemie).

Woher diese im Hinblick auf die Weltmeisterschaft in Frankreich gerade noch rechtzeitige Wende zum Guten? fragen sich Fachmann und -frau. Warum ist gerade er auf den Punkt topfit? Warum scheint er mühelos das doppelte Laufpensum seiner Mit- und Gegenspieler zu bewältigen? Warum ist er auch mental so gut drauf (man sah ihn während des Spiels Newcomer Kunz und Youngster Wicky Erläuterungen zu Technik und Taktik geben)?

Eine Indiskretion aus der Schwachhauser Breitensportszene brachte es an den Tag: Als einziger Werder-Spieler trainiert Dieter Eilts auch am Mittwoch nachmittag! Von Coach Raimund Michels hat er es bei fetziger Gitarrenmusik gelernt: „Die Hacken und die Spitzen, die woll'n nicht länger sitzen, die Fersen und die Zehen die wollen vorwärts gehen!“Auch „ein Radieschen dick und rund“, dessen Blätter sich ganz doll strecken, und das man nur gemeinsam ausrupfen kann, „weil's zusammen besser geht“, gehört zur Trainingseinheit (mentaler Bereich). Und zum Schluß noch mal – für die Kondition – „Eins, zwei, drei, im Sauseschritt“– und dann laufen auch unserm Dieter seine Töchterchen mit. Nach Papa Eilts glanzvollem Spiel gegen Kaiserslautern soll nun nach Bertis neuem Lieblingssong geturnt werden. Nein, nicht „Guildo hat euch lieb“, das andere: Lovely Dieter meter mate Nothing can come between us When the game starts you tow my heart away Running like a speedometer I can hardly catch a glimpse of Dieter Filling in his name in my little white book Without a cap he looks much older And the name across his shoulder makes him look a little like a military man Lovely Dieter meter mate May I inquire discretly Are you free To go to France with me? Oh, lovely Dieter meter mate Where would I be without you?!

Karen Buse ist Vizepräsidentin des Bremer Amtsgerichts.

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