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So'n Shit, kein Auto

Hamburgs Polizei neigt zur Realsatire: Wegen 0,6 Gramm Marihuana wurde einem Mann der Führerschein entzogen, der kein Auto hat  ■ Von Elke Spanner

Rauchen in geschlossenen Räumen gefährdet den Straßenverkehr. Findet offenbar Hamburgs Polizei und zieht Leute präventiv aus dem Verkehr: Faik K. hat noch immer seinen Führerschein nicht zurückerhalten, der ihm im Mai vorigen Jahres entzogen wurde, weil die Polizei 0,6 Gramm Marihuana bei ihm fand. Zwar nicht in seinem Blut, sondern in seiner Hosentasche, als K. in einem Kulturverein auf St. Pauli saß. Auch eine Prozeßniederlage vor dem Hamburger Verwaltungsgericht ficht die Polizei nicht an: Laut Faik K.s Anwalt kündigte sie an, in die höhere Instanz gehen zu wollen.

In Hamburg ist bislang hingegen noch kein Fall bekannt geworden, in dem jemand wegen des Besitzes einer ungeöffneten Bierflasche seinen „Lappen“verlor. Bei Shit hingegen ist alles klar: „Personen, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegende Rauschmittel mißbräuchlich (...) zu sich nehmen (...), sind nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden“, ist die Rechtsabteilung der Polizei überzeugt und lehnte den Widerspruch von Faik K. ab. Der habe zugegeben, das Marihuana zum „Eigenbedarf“bei sich gehabt zu haben und damit eingeräumt, „Konsument“zu sein.

Nun war es an Faik K., das Gegenteil zu beweisen. Er hätte – auf eigene Kosten – ein rechtsmedizinisches Gutachten anfertigen lassen können. Bei diesem „Drogenscreening“wird am Urin und der Haarwurzel überprüft, ob jemand regelmäßig konsumiert. Das lehnte Faik K. jedoch ab: „Warum sollte ich das bezahlen?“0,6 Gramm Marihuana, das bestätigte das Landeskriminalamt, reichen nur für zwei Joints, „und die hatte ich bei mir, weil ich mal probieren wollte“.

Sein Anwalt Bernd Meding wies darauf hin, daß Faik K. nicht einmal einen Wagen besitzt und zudem vom Kulturverein zu Fuß nach Hause gehen konnte. Daß er kein Auto habe, erwiderte die Polizei, sei noch lange kein Beweis dafür, daß er den Straßenverkehr nicht gefährde. Im Gegenteil: Ohne Auto „konnte er zwangsläufig nicht als kraftfahrender Drogenkonsument verkehrsauffällig werden“. Warum er allerdings, wenn er ohnehin nicht verkehrsauffällig werden kann, keinen Führerschein haben darf, blieb das Geheimnis der Polizei.

Auch das Verwaltungsgericht konnte es nicht lüften und gab K. Ende Februar Recht. Den Führerschein hat er dennoch nicht zurück, und wenn die Polizei, wie sie laut Meding ankündigte, Rechtsmittel einlegt, „bleibt er noch Jahre ohne Führerschein“.

Faik K. ärgert sich. Unfreiwillig hat er Hamburgs Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) in ihrer Politik ermutigt. Die ehemalige Rallyefahrerin nämlich plant, Verbrechern die Führerscheine zu entziehen, „weil das heutzutage viele als empfindliche Strafe betrachten“. Auch Faik K.. Nur daß er keine Tat begangen hat, die es zu bestrafen gilt.

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