: Zum Kaffeetrinken mit Opa Krawulke
■ 2.000 Anschläge – Heimspiel: Hauptsache Nebensache – Warum die „Anstoß“-Debatte im Sande verlief
Vor einem Jahr hat der Bremer Senat die Neuordnung der Kulturförderung beschlossen. Vorgestern abend lud die Initiative „Anstoß“zur vorläufig letzten Diskussion. Weil nun doch – angeblich – alles ganz anders kommt als – angeblich – die Unternehmensberatung MkKinsey vorgeschlagen hat, fiel in der Oberen Rathaushalle kaum ein böses Wort und ernteten Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) und Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) kaum ein Murren auf ihre als Antworten ausgegebenen Sprechblasen. Hattig: „Kultur entzieht sich den üblichen Denkprozessen.“Kahrs: „Es ist noch alles im Prozeß.“Hattig: „Das rein privatwirtschaftliche Kulturmanagement ist eine Chimäre.“Kahrs: Die „Anstoß“-Gutachten hätten sie gelehrt, sich nicht aus der kulturpolitischen Verantwortung zurückzuziehen. So die Kultursenatorin!
Indes hat sich die bürgerliche Konversationsweise durchgesetzt. Und ebenso die inhaltsleere Säuselei, die sich damit oft verbindet. Der „Anstoß“begann mit Megaphon und merkt jetzt im Erfolgsgefühl über das gekippte McKinsey-Modell nicht, daß die Szene im ökonomischen Gefängnis sitzt. McKinsey und seine Auftraggeber haben sich zwar verrechnet, der Kultureckwert aber bleibt gekürzt. Keine Rede davon beim Kulturparlando im Rathaus. Dabei sollten diese Leute doch eigentlich wissen, was teilen und herrschen ist.
„Wie soll ich in drei Sätze verpacken, was sich jetzt geändert hat“, fragte ein Kollege gerade neulich, als Senatskanzleichef Reinhard Hoffmann den Abschied von McKinseys Drei-Säulen-Modell verkündete. Und tatsächlich ist diese am Montag in trügerischem Wohlgefallen zerstäubte Debatte für Lieschen Müller und Opa Krawulke erstmal so bedeutungs- wie wirkungslos. Wenn sich die beiden für Kultur interessieren, werden sie sich – wie damals bei der Wiedereröffnung der Glocke – am übernächsten Wochenende wieder verabreden.
Denn dann werden sie ins neue Wagenfeld-Museum, in die sanierte Kunsthalle und in das neu konzipierte Focke-Museum gehen. Und danach werden sie sich erinnern an Eröffnungsworte wie „Kulturmeile“, „Aufbruchstimmung“, „Verläßlichkeit“oder sogar „Kulturhauptstadt Norddeutschlands“, die sie in den Reden gehört haben. Und sie werden diesmal doch zwei Stückchen Zucker im Kaffee nehmen. Was schert sie da eine Debatte, die mit dem für 120.000 Mark bestellten Lobgehudel der vier „Anstoß“-Gutachter einen Höhepunkt erreichte, dann in eine Reform der Reform mündete und am Montag abend im Sande verlief?
Zugegeben: Die Hardliner in der Reformsteuerungsgruppe haben ihre Hauptziele nicht erreicht. Es ist ihnen (noch) nicht gelungen, wesentliche Teile der Kulturverwaltung in privatrechtliche Organisationen auszugliedern und so ein Modell für eine große Verwal-tungsreform zu schaffen. Auch das andere, von Hoffmann vor Jahresfrist offen eingestandene Ziel, die Kultur bei unverändertem „output“mit erheblich verringertern Mitteln zu fördern, erwies sich als Illusion. Im offiziellen Teil des Gutachtens kam schon McKinsey nicht auf die erforderliche Summe von rund 20 Millionen Mark. Erst unter Einrechnung der zwölf Millionen Mark, die die McKinseys klammheimlich aus dem Theateretat herausrechneten, ging das Spiel auftragsgemäß auf. Doch bekanntlich versteht sich Intendant Klaus Pierwoß auf erfolgreiche Abwehrschlachten. Und erscheint damit als Einzelkämpfer in der Szene.
Die läßt sich wie am Montag abend – überwiegend in Sprechblasen – erklären, welche Vorzüge ein Kontraktmanagement haben soll. Die Skepsis daran lassen sich die Damen und Herren KulturproduzentInnen zwar genauso wenig nehmen wie das Mißtrauen am zweiten Modewort namens Controlling. Doch die in Aussicht gestellte Planungssicherheit und die versprochene Beteiligung an der Definition kulturpolitischer Ziele bringt sie zum Schweigen.
Es ist schon seltsam, wie leicht sich die als mürrisch und aufmüpfig geltende Kulturszene jetzt befrieden läßt. Da sitzen über 300 Leute im Rathaus und spekulieren über die Reform einer Kleinverwaltung. Das Thema Kunst und Geld wird diskutiert, als ginge es bloß darum, die Fördermittel gerechter zu verteilen oder, was ja zu begrüßen ist, effizienter zu verwenden. Tatsächlich ist der Kulturhaushalt schon in diesem Jahr nur durch zweifelhafte Kunstgriffe wie etwa in das Vermögen der Stiftung Wohnliche Stadt gedeckt. Gleiches gilt für das Jahr 1999, in dem durch das Ausfallen der Bonner Sanierungszahlungen im Bremer Gesamthaushalt aller Voraussicht nach sowieso ein Milliardenloch klaffen wird.
Es muß wohl Fatalismus sein, diese nicht ganz unbedrohlichen Tatsachen einfach auszublenden? Oder ist es Naivität, an einem Abgrund zu tanzen und brav zu fragen, ob die Kleidung beim möglichen Absturz Flecken davonträgt? Zuvor bleibt die Empfehlung, am übernächsten Wochenende zusammen mit Opa Krawulke und Lieschen Müller Kaffee zu trinken. Vielleicht bringt der Zucker ja verbrauchte Energie zurück.
Christoph Köster
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen