piwik no script img

Kein Gelöbnis am Tag des Mauerbaus

Überraschend wünscht sich Verteidigungsminister Rühe ein Gelöbnis im „Konsens aller Demokraten“. Kampagne gegen Wehrpflicht will auch gegen neuen Rekrutenaufmarsch am 10.Juni demonstrieren. SPD erfreut  ■ Von Barbara Junge

Berlin (taz) – „Der Bundeswehr ist an einem Konsens aller Demokraten gelegen“ – mit dieser überraschenden Einsicht hat gestern ein Sprecher das Einlenken des Bundesverteidigungsministeriums begründet: Das umstrittene Gelöbnis von Rekruten findet in Berlin nicht am 13.August statt, dem Tag des Mauerbaus. Statt dessen sollen die Soldaten am 10.Juni vor dem Roten Rathaus in der Hauptstadt aufziehen und ihren Eid ablegen. Wenn der 13.August davon abhalte, hieß es weiter, „seine Verbundenheit mit der Bundeswehr zu zeigen, dann wählen wir eben einen anderen Termin“.

Die bundesweite Kampagne gegen Wehrpflicht bezeichnete die Terminverlegung als Niederlage von Bundeswehr und Berliner Senat. Kampagnensprecher Ralf Siemens kündigte an, auch am 10.Juni zu einer „Demonstration gegen das Zurschaustellen des Militärs“ aufzurufen.

Berlins Regierungssprecher Michael-Andreas Butz berichtete, „in gegenseitigem Einvernehmen“ von Verteidigungsministerium und dem Land werde am 10.Juni ein öffentliches Gelöbnis durchgeführt. Die Terminverlegung ermögliche den Bürgern einen „unbefangenen Umgang mit der Gelöbnisveranstaltung“.

Noch vor kurzem hatte Volker Rühe die Kritik am 13.-August- Gelöbnis rundweg zurückgewiesen. Der stellvertretende SPD- Vorsitzende Wolfgang Thierse hatte den Verteidigungsminister zuvor eindringlich vor dem Tag des Mauerbaus gewarnt. Der Minister wisse vielleicht nicht, daß an diesem Tag 28 Jahre lang Aufmärsche der Kampfgruppen der SED stattgefunden hätten. „Soll jetzt die Bundeswehr dieses Erbe antreten?“ Er könne sich nicht vorstellen, hatte Thierse gefragt, „daß Sie ernsthaft eine solche politisch-moralische Geschmacklosigkeit begehen wollen“.

In einer Antwort hatte Rühe Thierses Vergleich eine „unglückliche Verirrung“ genannt. Der 13.August sei niemals allein ein Gedenktag der DDR und ihrer Kampftruppen – sondern für ein Gelöbnis „hervorragend geeignet“. Rühe hatte auf dem 13.August als Gelöbnistermin beharrt – trotz massiver Proteste des Bundeswehrverbands, einzelner Widersprüche aus der Ost-CDU und erklärter Ablehnung sowohl der Berliner als auch der BundesSPD.

Bernhard Gertz, der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, begrüßte das gestrige Einlenken von Bundesverteidigungsministerium und CDU. „Meine zentrale Bedingung war es, kein Wahlkampfspektakel mit dem Gelöbnis zu veranstalten“, sagte Gertz. Zwar sei er in den vergangenen Wochen nicht in die Beratungen einbezogen gewesen, doch habe er in Gesprächen mit hohen Offizieren den Eindruck gewonnen, daß sie seine Position teilten. „Diese Erkenntnis hat wohl auch das Verteidigungsministerium gewonnen“, kommentierte er.

Die Berliner SPD hat unterdessen die Terminverschiebung begrüßt. „Das ist ein Ergebnis der Vernunft“, sagte der SPD-Landesvorsitzende Detlef Dzembritzki. Die Fraktionsvorsitzenden der Berliner Bündnisgrünen, Renate Künast und Michaele Schreyer, nannten die Entscheidung „einen geordneten Rückzug“ des Regierenden Bürgermeisters. Sie forderten, das Gelöbnis in einer Kaserne abzuhalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen