Die Vorschau: Punk, meilenweit vom Punk entfernt
■ Kontakte zum Jazz: The Ex und 12 Kappen Wasser spielen im Wehrschloß
The Ex begann 1979 in Amsterdam als Punk-Band. Wer was spielte, wurde per Zufall ermittelt. Die Musik war dilettantisch, die Texte waren knapp formulierte Statements. Nach wie vor veröffentlichen sie ihre Platten auf dem eigenen Label und behalten soweit möglich die Kontrolle über die Musik und ihre Verabreichungsformen. Musikalisch sind sie unterdessen kaum noch wiederzuerkennen.
Anfang der Achtziger begannen sie zu improvisieren, Instrumente wie Geigen und Ölfässer zu benutzen und mit Musikern internationaler Herkunft zu spielen. Kontakte zur improvisierenden Jazz-Szene erweiterten das Spektrum, so daß The Ex heute einzigartig klingen, nach wie vor offen für Einflüsse jeglicher Couleur. Auch an den Botschaften gingen die Jahre nicht spurlos vorbei. Mit Postern, Booklets und Büchern gaben The Ex ihren Gedanken mehr Raum, als es ein Drei-Minuten-Song kann. Die jüngste Veröffentlichung der Band ist die Neuauflage eines Buches über den spanischen Bürgerkrieg mit Photos aus den Archiven der anarchistischen Gewerkschaft CNT.
Sich selbst sehen The Ex nicht als anarchistische Propagandisten. „Ich habe keine Beziehung zu Anarchie als Gesellschaftsform“, erklärt Andy, Gitarrist von The Ex. „Ich habe unsere Musik nie als Propaganda gesehen, und ich habe keine Illusionen, daß wir die Gesellschaft durch die Art, wie wir Musik spielen oder die Band managen, verändern können. Wenn die Gefahr jemals bestanden hätte, hätten sie uns längst eingesperrt.“
Und die Musik? „Die ist für uns so wichtig wie die Botschaft, und die Musik soll genauso die Leute herausfordern, verstören, inspirieren und ihnen Energie geben.“Weshalb die musikalische Entwicklung eine Notwendigkeit war. „Wir sind vielleicht ,Punk' in dem Sinne, daß wir immer noch jedem, auch wenn er nur zwei Akkorde spielen kann, sagen würden, er soll auf die Bühne gehen und spielen. Aber ,Punk' ist heute Mode und Green Day, und die Sache ist fest in den Händen kommerzieller Strukturen. In dem Sinn sind wir meilenweit davon entfernt.“
The Ex spielen in Kürze auf dem renommierten Jazz-Festival in Moers, und das ist wirklich nicht sehr ,Punk', sagt aber einiges über die Offenheit der Holländer aus.
In Bremen stehen ihnen heute die Bremer 12 Kappen Wasser mit minimalistischen Krachpopsongs zur Seite.
Andreas Schnell
The Ex und 12 Kappen Wasser spielen am heutigen Donnerstag um 21 Uhr im Wehrschloß
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