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Mit Bildern gegen die Bilderflut

■ Der Allgäuer Maler Gerhart Kindermann zeigt die Arbeiten, die ihm entkommen konnten, in der Galerie Reinfeld

Gerhart Kindermann ist ein Maler, der keine Bilder mag. Ein schwieriges Schicksal, malen zu müssen, weil es einen danach drängt, und zugleich die Produkte des überwältigenden Malzwangs nicht ertragen zu können. Gerhart Kindermann löst den Konflikt auf die naheliegenste Weise – er zerstört den Großteil seiner fertigen Bilder. 90 Prozent seiner Arbeiten zerschneidet der gebürtige Landshuter in feine Streifen und Fetzen. Bilderkonfetti, das allerdings nicht den Weg allen Abfalls geht, sondern dem 40jährigen dazu dient, Trommeln und Bodeninstallationen zu basteln.

Keine Gemälde also, aber immerhin so recyclet, daß sie der Kunstwelt erhalten bleiben. Das, was Kindermanns Zerstörungsdrang nicht zum Opfer fällt, bleibt das, was es von Anfang an sein sollte: Ein Bild. Und einen Teil dieser überlebenden Objekte zeigt bis in den April hinein Udo Reinfeld in den Räumen seiner Galerie Am Weidedamm.

Kindermanns Konflikt ist existentiell. Die Welt ist voller Bilder, überflutet mit optischen Sinneseindrücken bis zum Überfluß. Und er, der Maler, sitzt in seinem Haus im Allgäu und steigert die Bilderflut mit jedem Tag, den er in seinem Atelier verbringt. Was Sisyphos schon nicht gelungen ist, kann auch Kindermann nicht lösen: Wo Bilder omnipräsent sind, ist das Malen eine im Grunde absurde Tätigkeit, der man dennoch nachgeht. Warum auch immer. Und seit Camus wissen wir, daß wir uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen müssen. Nun denn, ist Gerhart Kindermann ein glücklicher Mensch?

Zumindest ist er ein stiller Mensch. Einer, der mit zäher Beharrlichkeit die immer gleichen geometrischen Strukturen auf das Papier kratzt.

Fragmentarische, reduzierte Formen, die es offensichtlich zueinander zieht, ohne daß ihr Erschaffer ihnen letztlich das Vergnügen gönnt, sich zu vereinigen. Immerhin: Heller geworden sind Kindermanns Bilder im Laufe der Zeit, variieren helle Grau und Rottöne, wo zuvor schwarz dominiert hat. Und die neuesten Arbeiten, wo Kindermann bevorzugt die Rückseiten bemalt, wirken beinahe so, als wolle er die Leinwand nicht einmal mehr mit seinen Strichen belästigen. Hier ein schwarzer, dort ein weißer Strich und dazwischen ein freundlich dreinschauendes, leicht zerkratztes Grau.

Kindermanns Aversion gegen die Bilderflut wird nur noch übertroffen von seiner Furcht vor dem, was man Ganzheitlichkeit nennen möchte, wäre der Begriff nicht längst infolge esoterischer Überstrapazierung fad geworden. Egal, was er malt, ob geometrische Figuren oder Leiber wie auf seinen vor Details überquellenden, vielteiligen filmähnlichen Bildersequenzen: Nie sind alle Glieder zusammen, nie ist ein Teil heil, rund, geschlossen, nie ist etwas ganz bei sich, unzerstört, schön. Ganz so, als mache es ihm Angst, dieser Welt, in der es schon alles gibt – und in weit größerer Perfektion, als es ein irdischer Schöpfer jemals bewerkstelligen könnte – eine neue, gelungene Form hinzuzufügen.

Ein stiller Maler. Bescheiden, unspektakulär, ehrfürchtig. Und ausgestattet mit der Moral eines Menschen, der große Felsen auf spitze Berge wuchtet. Und der auf dem Weg bergab schon weiß, daß er wieder umkehren wird. zott

Die Gemälde Gerhart Kindermanns zeigt die Galerie Reinfeld bis zum 11. April. Nähere Informationen gibt es unter 35 57 07.

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