piwik no script img

Junge Liebe wird getrübt

■ Klinsmann trifft, Ginola auch – aber Tottenham spielt nur 3:3 gegen Liverpool

London (taz) – Wer bislang dachte, Trinkflaschen seien zum Trinken da, wurde am Samstag nachmittag von David Ginola eines Besseren belehrt. Trinkflaschen sind ein Kommunikationsmittel. Jeder im Londoner Stadion an der White Hart Lane verstand, was Ginola ausdrücken wollte, als er, der gerade ausgewechselt worden war, zwei Minuten vor Ende des Spiel in der englischen Premier League zwischen seinen Tottenham Hotspurs und dem FC Liverpool eine Flasche in Richtung von Tottenhams Abwehrspielern warf. Dann setzte Ginola seinen Monolog doch mit Worten fort, „Verpißt euch!“, schrie er den Verteidigern entgegen, nachdem eine Partie, die Tottenham scheinbar schon gewonnen hatte, 3:3 endete.

Alles, was den englischen Fußball so besonders macht, wurde an diesem Nachmittag geboten: phantastische Tore, atemberaubendes Tempo, wilder Kampf – taktische Naivität und unglaubliche Abwehrfehler. Daß eine Mannschaft wie Tottenham gegen den Tabellendritten zwei Minuten vor Schluß 3:2 führt und sich ein Kontertor einfängt, weil man arglos weiter stürmt, gibt es wohl nur in England. Nach dem Unentschieden trennt nur noch die Tordifferenz die Spurs von Barnsley und einem Abstiegsplatz.

Die Stimmung war ruiniert an einem Nachmittag, der 88 Minuten lang wie eine große Versöhnungsparty aussah. Zwei Wochen lang ist in London debattiert worden, wo Ginola am besten aufgehoben ist, nachdem Klinsmann Tottenhams Schweizer Trainer Christian Gross lautstark aufgefordert hatte, den Franzosen vom Zentrum des Offensivspiels auf den linken Flügel abzuschieben. Dort würde er nicht so eigensinnig agieren.

Am Samstag hatten sie sich alle wieder lieb. Nie zuvor haben Klinsmann und Ginola so gut zusammengespielt. Nominell agierte Ginola weiter im Zentrum des Spiels, faktisch war er überall. Nach zwölf Minuten flankte er vom rechten Flügel, Klinsmann verlängerte den Ball per Kopf zum 1:0 ins Tor. Der Deutsche wiederum inszenierte mit einem Fingerzeig Tottenhams zweiten Treffer. Berti wollte den Ball zu Klinsmann spielen, der jedoch ordnete mit einer Handbewegung an, Berti solle lieber zu Ginola passen. Und während Klinsmann die Verteidiger auf sich zog, schoß Ginola unbedrängt das 2:1. „Es war das beste Spiel von Klinsmann, seit er im Dezember zu uns kam. Ginola war herausragend“, sagte Gross und gab feierlich die neue deutsch-französische Verständigung bekannt: „Wenn ein Spieler einen Paß zu einem Kollegen spielt, ist das eine Art von Kommunikation.“ Ob ihn sein Tor gefreut habe? „Oh, vor allem hat mich gefreut, daß ich für Jürgen eines vorbereiten konnte“, sagte Ginola. „Der arme David ist von den Medien in den Mittelpunkt des Streits zwischen mir und Gross gerückt worden, das war nicht fair“, behauptet Klinsmann jetzt.

Bundestrainer Berti Vogts wird wahrscheinlich sowieso nicht verstehen, was das ganze Gequatsche soll, von wegen sein Mannschaftskapitän sei nicht in Form, er würde keine Zuspiele bekommen und keine Tore schießen. Immer – und so auch am Samstag – wenn Vogts an der White Hart Lane zusah, schoß Klinsmann ein Tor. Nur war Berti Vogts bislang erst bei zwei Spielen. Ronald Reng

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen