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Wut, Trauer und Betroffenheit

■ Blohm und Voss sahen vorab den Viertel-Film „Schmitzkes Fehler“von Jürgen Köster

Herr Voss: Sehen Sie! Bei dem Bäcker kaufe ich immer meine Brötchen! Und in der Wirtschaft habe ich schonmal gesessen! Und die Straßenbahn ...

Dr. Blohm: Reißen Sie sich zusammen, Herr Voss! Wir sind hier, um Jürgen Kösters neue Film-im-Viertel-Produktion „Schmitzkes Fehler“zu begutachten und nicht, um uns der billigen Freude am Lokalkolorit hinzugeben. Konzentrieren Sie sich auf die Handlung!

Voss: Mach' ich doch! Es geht um eine Wohngemeinschaft, die dem Innenministerium allerlei Verbrechen nachzuweisen versucht, nachdem der Minister persönlich eine kompromittierende Interview-Aufzeichnung aus ihrer Wohnung gestohlen hat.

Blohm: Ich sehe Dennis Hopper oder Udo Kier in der Rolle des mitarbeiterprügelnden, sexuell pervers veranlagten Ministers.

Voss: Dann haben Sie bessere Augen als ich.

Blohm: Ich meinte das im visionären Sinne!

Voss: Dabei schlägt sich der Minister-Darsteller recht tapfer. Und seine beiden Schergen Schmitzke und Kohlmann sind recht lustig.

Blohm: Manchmal. Sie sind zumindest überzeugender als die restliche Darstellerriege. Es ist ein Kreuz, mit Laien zu arbeiten: Sobald das Skript mit spritzigen Dialogen oder Slapstick-Action kommt, wirkt das Resultat auf der Leinwand verkrampft. Aber nicht halb so verkrampft wie die Ausländermißhandlungsszenen im Polizeirevier, die dem Zuschauer mit Grönemeyer-Soundtrack und Hollywood-Pathos Wut, Trauer und Betroffenheit einbleuen sollen.

Voss: Sie müssen auch mal fähig sein, sich auf diese Gefühle einzulassen!

Blohm: Ich empfinde durchaus Wut, Trauer und Betroffenheit. Allerdings ob der Plattheit dieser Szenen, keineswegs wegen ihrer Intensität.

Voss: Immerhin sieht der Film gut aus. Wie die „Lindenstraße“.

Blohm: Sie haben sich gerade selbst widersprochen und es noch nicht einmal gemerkt. Was hier in Vorabend-Videoästhetik vorgeführt wird, verrät vor allem die Lagerhaus-Verbundenheit des Projektes: An jeder Wand ein Blaumeier-Poster, und auf die Ohren gibt's einen Soundtrack aus Reggae, One-World-Schlagern, Drum und Bass.

Voss: Komisch, soviel eingekaufte Mainstream-Musik, obwohl es Bremen nicht an talentierten Musikgruppen mangelt. Apropos: Zwei Mitglieder solcher Bands haben in „Schmitzkes Fehler“Statistenauftritte. Der Sänger der „Adelheid Streidel Experience“, der sich vergeblich für die Hauptrolle beworben hatte, sitzt in einer Restaurantszene im Hintergrund und murmelt hörbar. Der Pianist von „Pearly Passion“schleppt einen Lautsprecher und guckt nur.

Blohm: Es spielen nur wenige junge Leute mit. Ich habe lediglich zwei Piercings gezählt. Und die waren beide im selben Gesicht.

Voss: Mehr kommen da auch nicht mehr; der Film ist vorbei. Was halten Sie davon, wenn wir uns zum Ausgleich noch einen richtigen Film ansehen?

Blohm: Sie erraten meine Gedanken! Schlage den neuen Egoyan vor!

Voss: Ich würde mir lieber diesen Film mit den außerirdischen Riesenkäfern ansehen.

Blohm: Da fällt mir ein, Frau Blohm wartet sicher schon mit dem Essen auf mich.

Premiere am 18.3., Kino 46. Dann: 19.-26. 3. im Lagerhaus (jeweils 20.30 Uhr)

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