: Jospins rosige Zeiten
Frankreichs rot-rosa-grüne Koalition gewinnt die Regionalwahlen. Aber auch die extreme Rechte legt zu ■ Aus Paris Dorothea Hahn
Neun Monate nach den Parlamentswahlen hat die regierende Linke in Frankreich erneut eine Wahl gewonnen. Bei den Regionalwahlen vom Sonntag bekam sie zusammen 36,5 Prozent der Stimmen – die wichtigsten rechten Oppositionsparteien, UDF und RPR, erlitten zusammen mit 28,1 Prozent eine Schlappe. Die rechtsextreme Front National erreichte mit 15,2 Prozent der Stimmen landesweit und 27 Prozent der Stimmen in ihrer Hochburg rund um Marseille und Toulon ihr bisher bestes Wahlergebnis überhaupt. Linksradikale kamen auf 4,4 Prozent und machten vor allem im Großraum Paris leichte Fortschritte: Erstmals wird eine Vertreterin der trotzkistischen „Lutte Ouvrière“ in einen Regionalrat einziehen. Die Wahlbeteiligung erreichte am Sonntag mit nur 58 Prozent der 38 Millionen Wahlberechtigten einen Tiefststand.
Premierminister Lionel Jospin kommentierte den Ausgang der Regionalwahlen und die gleichzeitige erste Runde der Kantonalwahlen als „eher ermutigend“. RPR-Chef Philippe Séguin, der nach der empfindlichen Niederlage bei den Parlamentswahlen vom vergangenen Juni die Parteiführung übernommen hatte, bemerkte trocken, mehr sei nicht zu erwarten gewesen. Die historische Verantwortung wälzte er auf Staatschef und RPR-Gründer Jacques Chirac ab, der unvorsichtigerweise das Juni-Debakel der Rechten mit vorgezogenen Neuwahlen ausgelöst hatte. „Dafür zahlen wir immer noch die Rechnung“, sagte Séguin.
Von den 22 Regionen im französischen Mutterland – die Stimmen in den vier überseeischen Regionen Martinique, Guadaloupe, Réunion und Guyane lagen gestern mittag noch nicht vor – hat Premier Jospins rot-rosa-grünes Bündnis, das erstmals flächendeckend gemeinsame Wahllisten aufgestellt hatte, mindestens 13 sicher in der Hand – bisher waren es zwei. Gewonnen hat die Linke unter anderem zum ersten Mal auch die am dichtesten besiedelte Hauptstadtregion „Ile-de-France“ mit über 10 Millionen Eiwohnern. In zahlreichen anderen Regionen, in denen es keine eindeutigen Mehrheitsverhältnisse gibt, hat jetzt die Schacherei um Stimmen für die Wahl der Regionalpräsidenten begonnen, die für kommenden Freitag terminiert ist.
Dabei wird vielerorts die Front National den Ausschlag geben. Mehrere Politiker von RPR und UDF haben bereits vor dem Urnengang klar gemacht, daß sie sich auch mit rechtsextremer Unterstützung wählen lassen würden. Andere, darunter an vorderster Stelle der rechte Spitzenkandidat in der Ile-de-France, der frühere Premierminister Edouard Balladur, stehen im Falle einer Abhängigkeit von rechtsextremen Stimmen nicht zur Verfügung.
Bei den Wahlen für die Kantone, deren Mitglieder am Sonntag zur Hälfte neu gewählt wurden, findet in den meisten Fällen eine Stichwahl am kommenden Sonntag statt.
Kommentar Seite 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen