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Kosovo-Albaner wählen im Untergrund

Die für Sonntag geplanten Wahlen des kosovo-albanischen Parlaments und des Präsidenten sind zu einer Demonstration für die Rechte der Albaner umfunktioniert. Ein demokratischer Wahlkampf hat nicht stattgefunden  ■ Aus Priština Erich Rathfelder

Die Wahlen im Kosovo werden am 22. März wie geplant abgehalten. Dies verkündete der Schriftsteller und Präsident der albanischen Bevölkerung im Kosovo, Ibrahim Rugova. Der Wahlkampf, der gar nicht stattgefunden hatte, war damit schon beendet. Die Wahlen werden somit eine Demonstration des Freiheitswillens der albanischen Bevölkerung werden. Das zu wählende Parlament ist eine Gegeninstitution der albanischen Bevölkerungsmehrheit, die sich bisher weigerte, an den Wahlen der Republik Serbien teilzunehmen. Es symbolisiert den Anspruch der albanischen Bevölkerung, die Geschicke der einstmals autonomen Region selbst zu bestimmen. Die 130 Sitze sollen in Direktwahl vergeben werden, davon sind 30 für die Minoritäten der Serben, Türken und Roma vorgesehen. Bei der Wahl um die Präsidentschaft ist der 1992 erstmals gewählte Rugova der einzige Kandidat.

Die Opposition zu Rugovas Demokratischer Liga des Kosovo, der Mehrheitspartei der albanischen Bevölkerung, meldet aber Kritik an den Wahlen an. Adem Demaqi, der mehr als 28 Jahre seines Lebens in den Gefängnissen Jugoslawiens verbrachte und heute die Parlamentarische Partei führt, hatte schon vor Wochen vorgeschlagen, die Wahlen zu verschieben.

Der Wahltermin ist im Kosovo umstritten

Auch Gruppen von Intellektuellen befürworteten eine Verschiebung der Wahlen, weil „jetzt kein wirklicher demokratischer Prozeß“ stattfinden kann. Selbst in der Demokratischen Liga des Kosovo war um die Entscheidung bis zuletzt gerungen worden. Die meisten Oppositionsparteien werden trotz Kritik an den Wahlen teilnehmen. Ein Boykottaufruf der geheimnisumwitterten Untergrundorganisation UCK betrachten aber auch sie mit Mißtrauen.

Angesichts der Zuspitzung der politischen Lage braucht die kosovo-albanische Führung unter Rugova das eindeutige Votum der Bevölkerung für ihren Kurs. Und der besteht nicht, wie noch vor Wochen kritisiert, auf einer zu nachgiebigen Haltung gegenüber der serbischen Seite. In letzter Zeit hat sich Rugova als geschickter Anwalt der kosovo-albanischen Interessen erwiesen. Seine Verhandlungsbereitschaft ging einher mit Festigkeit in der Sache. Die Botschaft, es wird keinen faulen Kompromiß mit der serbischen Seite geben, ist bei der Bevölkerung angekommen. Hinzu kommt, daß auf dem diplomatischen Parkett einiges bewegt werden konnte.

Zwar zeigt man sich in Priština leicht enttäuscht von der deutsch- französischen Initiative der Außenminister Kinkel und Vedrine, die am Donnerstag bei ihrem Besuch in Belgrad von serbischen Zugeständnissen gesprochen haben. So hat der von beiden Ministern angedeutete Rückzug der serbischen Sonderpolizei aus Drenica bisher nicht stattgefunden. Für Veton Suroi, Chefredakteur der albanischsprachigen Tageszeitung Koha Ditore, haben sich die beiden Außenminister von Milošević beschwichtigen lassen, ohne in der Sache etwas erreicht zu haben. Rugova selbst hielt sich auf der Pressekonferenz diplomatisch zurück und lobte alle Anstrengungen, die zu einer politischen Lösung führen könnten. Daß er sich aber lediglich auf die USA und zunehmend auf Großbritannien verlassen kann, geht aus Äußerungen seiner Umgebung hervor.

In Drenica wird nicht gewählt werden können

Die Reisetätigkeit von US-Sonderbotschafter Robert Gelbard läßt auf höchste amerikanische Wachsamkeit in bezug auf Kosovo schließen. Rückendeckung erhält die albanische Seite für ihr Insistieren auf einem internationalen Vermittler als Voraussetzung für „Gespräche ohne Bedingungen“.

Die Lage in den nach wie vor eingeschlossenen Gebieten in Drenica ist unverändert, ein dichter Kordon aus Polizeikräften riegelt sie ab. Die meisten Menschen leben dort aus Angst vor Übergriffen in den Wäldern, wie albanische Menschenrechtsvertreter in Priština betonen. Angesichts der kalten Witterung fordern internationale Hilfsorganisationen weiterhin einen Zugang zu den eingeschlossenen Gebieten, um dort humanitäre Hilfe leisten zu können. Nach Informationen aus der Bevölkerung sind jedoch einige der Flüchtlinge in ihre Häuser zurückgekehrt.

In Drenica werden die Wahlen am Sonntag nicht durchgeführt werden können. Auch in anderen Gebieten Kosovos ist es fraglich geworden, ob die Abstimmung wirklich stattfinden kann. Nach Informationen aus serbischen Quellen könnte es zu Störungen des Wahlprozesses durch die serbische Polizei kommen. Einer Delegation von 15 US-Senatoren, die als Wahlbeobachter fungieren sollten, wurde gestern immer noch die Einreise nach Serbien und damit nach Priština verweigert.

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