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Kontrollfetischismus gegen Ausländer

■ Bremer Polizei schleppt Nigerianer nach Baustellenrazzia zur Paßkontrolle bis nach Hause / Ausländerbeauftragte hält angebliche Identitätsunstimmigkeiten für oft bewußt konstruiert

Freitag morgen, eine Baustelle in Verden: Zwei „Spezialisten gegen illegale Beschäftigung der Bremer Polizei“, so die Polizei-Pressestelle, haben angeblich Hinweise auf Schwarzarbeit. Zusammen mit Verdener Kollegen wird der Bau untersucht. Dabei werden acht Beschäftigte mit aufs Revier Verden genommen – darunter auch der Nigerianer Robert Dubem Chukwurah. Entgegen der anderen sieben Bauarbeiter soll der Afrikaner die Baustelle nicht wiedersehen.

„Es gab Unstimmigkeiten über seine Identität“, so Polizeisprecher Karl-Heinz Frantzen. Chukwurah hatte nur eine Kopie seines Passes dabei. „Und auf dem Foto war der Mann nicht mehr zweifelsfrei zu erkennen. Außerdem gab es Unstimmigkeiten in der Schreibweise seines Namens.“Zusätzlich habe der Nigerianer seine Arbeitserlaubnis nicht bei sich gehabt.

Was Chukwurah aber bei sich hatte, war das Original seiner Sozialversicherungskarte – mit Foto. Die bekommt man nur mit gültigem Paß. Diesen Ausweis muß ein Ausländer übrigens nicht mit sich führen, sagt die Bremer Ausländerbeauftragte Dagmar Lill und verweist auf die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Ausländergesetz, Paragraph 4. Laut Arbeitsamtssprecher Jörg Nowak muß auch die Arbeitserlaubnis nicht zwingend mitgeführt werden. Bei der unstimmigen Schreibweise handelt es sich einmal um die ausgeschriebenen Vornamen und einmal um die Initialen R.D.

Dennoch wird Chukwurah von den zwei Bremer „SpezialistInnen“mit in die Hansestadt genommen, um seinen Paß zu überprüfen. Als der Mann diesen nicht findet und schließlich im Schlafzimmer suchen will, folgen ihm die zwei Bremer PolizistInnen. Chukwurah verwehrt sich dagegen. Die BeamtInnen sind unbeeindruckt, bis die deutsche Ehefrau Chukwurahs, Kerstin Bargmann, auftaucht.

Nach Auskunft der Polizei wollten die BeamtInnen dem Nigerianer ins Schlafzimmer folgen, „weil es sich um eine Erdgeschoßwohnung handelte und eine Flucht nicht auszuschließen war“. Dazu Ehefrau Bargmann: „Was soll eine Flucht aus der eigenen Wohnung? Das ist Rassismus.“Zumal sich die BeamtInnen mit höhnischem Gelächter verabschiedet hätten.

Sie hat zudem eine andere Version der Unstimmigkeiten bei Chukwurahs Identitätsbestimmung: „Bei der Polizei hat man zugegeben, daß der Beamte die zweite Seite in der Paßkopie meines Mannes mit der dreijährigen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis übersehen hat.“Bargmann will jetzt Dienstaufsichtsbeschwerde stellen.

Daß es sich bei dem vorliegenden Vorgang nicht um einen Einzelfall handelt, bestätigt die Ausländerbeauftragte Lill. „Es gibt immer wieder Probleme für Ausländer, die von der Polizei abgeführt werden, weil sie keinen Paß bei sich haben. Es ist aber verständlich, daß viele ihre Ausweise zu Hause lassen, weil sie als Flüchtlinge oder ArbeitsmigrantInnen kaum eine Chance haben, bei Verlust an ein neues Dokument zu kommen.“Sie fordert darum ein deutsches Paßersatzpapier für alle Ausländer, die sich länger als sechs Monate in der Bundesrepublik aufhalten. „Darin sollten die gleichen Angaben stehen wie in einem normalen Personalausweis. Also auch die Adresse, weil auch dies oft ein Grund ist, die Betroffenen mit aufs Revier zu nehmen.“Damit grenzt sie sich aus Datenschutzgründen bewußt von der sogenannten Asyl-Card ab, die Bundesinnenminister Manfred Kanther fordert. Jens Tittmann

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