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HEW aus der Höhle

Spezialglas und Spiegel sollen die Existenz des gemeinen Büromenschen erhellen  ■ Von Achim Fischer

„Wir leben immer noch in Höhlen“, gestand gestern Hans-Joachim Reh, Vorstandsmitglied des Hamburger Stromkonzerns HEW, im zehnten Stock des Millerntorhauses. „Natürlich sehen sie heute anders aus.“Aber das Prinzip ist das gleiche: Abgeschottet von der Außenwelt hocken die Nachfahren der Neandertaler in ihren Bürobunkern. Noch.

Denn dem homo hanseaticus stehen glänzende Zeiten bevor. In der Ausstellung „Innovative Fassaden“im Millerntorhaus zeigen die HEW, wie sich über Spiegel, Röhren und Schächte mehr Tageslicht in die düsteren Gefilde des gemeinen Büromenschen bringen läßt.

Etwa über die beliebten holographisch-optischen Elemente – kurz „HOE“. HOE sind spezielle Glasscheiben, die die Richtung des einfallenden Lichts ändern. Diffuses Licht unter schmuddelgrauem Himmel kann so wahlweise waagerecht in die Büros geleitet werden oder auch nach schräg oben, unter die Decke. Dort wiederum läßt sich der Lichtpaß von weiteren praktischen HOE annehmen und direkt auf die Schreibtische der Insassen schicken.

Wichtigstes Werkzeug zur Flucht aus der Steinzeit aber werden Spiegel sein. Vor der Fassade, auf dem Dach am Rande eines Lichthofs, als Spiegelschicht auf Jalousien – wo immer die Höhle ein Loch zur Außenwelt hat, können Reflektoren für Erhellung sorgen. Und wo es kein Loch gibt, kann bald eins werden. Lichtröhren, etwas dicker als ein Abflußrohr, können entlang ihrer glänzenden Innenwände Photonen bis in Flure, Keller oder Innenräume ohne Fenster leiten.

Und zwar auch in solche Zimmer, die nicht im neuzeitlichen Stil gebaut wurden. Vor einem halben Jahr lobten die HEW einen europaweiten Wettbewerb zur Lichtlenkung in Gebäuden aus. Die Teilnehmer sollten, ohne die Fassade zu verschandeln, das Haus Rathausstraße 4 erleuchten. Das Kontorhaus gilt, 1906/07 erbaut, als typische Höhle im Jugendstil.

Innovative Fassaden, bis 7. April montags bis freitags 16 bis 19 Uhr, Millterntorhochhaus, Millerntorplatz 1, 10. Stock (mit Ausblick, der auch Nicht-Gebäudetechniker für die technischen Ausführungen der Ausstellung entschädigt).

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