Grüne Jugend für neue Wege: Heroin legal?!
■ Drogenpolitikdebatte im Schlachthof
„Danke fürs Zensurengeben! Das war dann wohl Note fünf?“Der sonst so ruhige Bremer Drogenbeauftragte Ingo Michels konnte seine Erregung nicht ganz verbergen. Auf einer von der Grünen Jugendinitiative (GJI) organisierten drogenpolitischen Veranstaltung am Montag abend im Schlachthof war er zuvor heftig kritisiert worden. „Als Drogenbeauftragter müssen Sie natürlich die repressive Drogenpolitik des Landes verteidigen“, hatte ihm Dominik Rebmann, drogenpolitischer Sprecher der parteiunabhängigen JungdemokratInnen-Junge Linke, vorgeworfen.
Zu Beginn wurde von Tilmann Holzer – Mitglied im „Fachforum Drogen“des bundesweiten Grün-Alternativen Jugendbündnisses (GAJB) – in seinem Einleitungsreferat „eine humane Drogenpolitik“gefordert. „Das größte Problem sind die jährlich ca. 2.000 Drogentoten“, führte der 23jährige Mannheimer aus. Die Verbotspolitik der Bundesregierung sei fehlgeschlagen, da sie von der „Illusion einer drogenfreien Gesellschaft“ausgehe.
Als Gegenmodell schlug Holzer die Legalisierung aller Drogen vor. In „Drogenfachgeschäften“– die man sich als „Mischung aus Apotheke und Coffie-Shop“vorzustellen habe – sollten dann, je nach Droge, ab einer Altersgrenze von 16 bis 18 Jahren Drogen frei erwerbbar sein, lediglich der Kauf von Heroin und Kokain müsse an die Vorlage eines ärztlichen Rezepts gekoppelt werden. Im Gegenzug dürfe es auch Alkohol und Tabak nicht mehr in Supermärkten geben. „Außerdem fordern wir ein totales Werbeverbot für alle Drogen.“
Als der Moderator danach Michels um eine Bewertung der Forderungen des GAJB bat, schläferte der Drogenbeauftragte zunächst die ZuhörerInnen mit einem Wust von Zahlen ein, um sie danach mit der Darstellung juristischer Details weiter zu langweilen. Erst am Ende seines Beitrags ging er auf das Legalisierungsmodell mit den „Drogenfachgeschäften“ein: Diese Idee sei eine „gute Utopie“, aber „vielleicht zu weit weg“von der Realität und momentan „politisch schwer umsetzbar“.
Damit hatte Michels einen Punkt getroffen, über den sich die Anwesenden trefflich streiten konnten. GAJB-Mann Holzer gab im Lauf der Debatte zu, daß es inkonsequent sei, Heroin und Kokain vom völlig freien Verkauf auszunehmen und an einen Arztbesuch zu koppeln, nachdem er zuvor selber die „Akzeptanz des Drogenkonsums als Genußkonsum“propagiert hatte. Es sei eben ein „opportunistisches Übergangsmodell“, so Holzer.
Eine weitere Polemik des parteiunabhängigen Rebmann folgte auf dem Fuß: „Typisch für die Grünen: Wenn sie mal sachlich richtig argumentieren, trauen sie sich politisch nicht.“
André Anchuelo
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